Nach den jüngsten Anti-Krisenmaßnahmen in der Coronavirus-Pandemie hält die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Pulver erst einmal trocken. Den Leitzins im Euroraum beließ der EZB-Rat am Donnerstag auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte. Die Währungshüter stecken über ein Notkaufprogramm unverändert 750 Milliarden Euro in Staats- und Unternehmenspapiere.
Das Programm "Pandemic Emergency Purchase Programme" (PEPP) soll solange laufen, bis der EZB-Rat die Coronakrise für bewältigt hält - in jedem Fall mindestens bis zum Ende dieses Jahres.
Die Käufe helfen Staaten wie Unternehmen: Sie müssen als Anbieter der Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Die Mitgliedstaaten im gemeinsamen Währungsraum versuchen, mit milliardenschweren Rettungspaketen in der Coronakrise das Schlimmste zu verhindern. Die Folge: Die Verschuldung der Staaten steigt, das belastet insbesondere hoch verschuldete Länder.
Zinsen unverändert
Den Schlüsselzins zur Versorgung der Institute mit Geld beließ die EZB bei 0,0 Prozent. Auf diesem Rekordtief liegt er bereits seit März 2016. Auch den Einlagensatz hielten sie auf dem bisherigen Niveau von minus 0,5 Prozent. Damit müssen Banken weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der Euro-Notenbank überschüssige Gelder parken. Inzwischen gibt es allerdings Freibeträge. Bei kurzfristigen Kapitalspritzen und sogenannten Übernachtkrediten werden ebenfalls wie bisher 0,25 Prozent Zinsen fällig.
Zur Unterstützung der Kreditvergabe in der Coronakrise legt die EZB ein zusätzliches Programm mit besonders günstigen Langfristfinanzierungen auf, das in diesem Mai starten soll. Die Bedingungen für bereits laufende Kreditprogramme werden zudem weiter gelockert. Das soll Banken in die Lage versetzen, angesichts der wirtschaftlichen Verwerfungen infolge der Pandemie Unternehmen mit ausreichend Geld zu versorgen.
Regierungen am Zug
Volkswirte von Banken hatten von der Sitzung am Donnerstag keine größeren neuen Maßnahmen erwartet. EZB-Vertreter hatten zuletzt mehrfach signalisiert, dass sie jetzt vor allem die Regierungen am Zug sehen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte nach Angaben aus Teilnehmerkreisen beim jüngsten EU-Gipfel davor gewarnt, dass die Reaktion auf die Krise zu klein und zu langsam ausfallen könnte. Gefordert sei eine schnelle, entschlossene und flexible Antwort. Die Notenbank befürchtet im Extremfall einen Wirtschaftseinbruch um 15 Prozent in der Eurozone.
Die EZB ist bereits seit Jahren im Anti-Krisenmodus. Der Leitzins im Euroraum liegt seit nunmehr vier Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent. Negativzinsen auf Einlagen sollen Banken dazu bewegen, mehr Kredite zu vergeben, statt Geld bei der Notenbank zu parken. Zudem stellt die EZB Langfristkredite bereit, um die Kreditvergabe zu beflügeln.
Die laufenden Kaufprogramme der Notenbank für Anleihen haben mit gut 2,78 Billionen Euro bereits ein gewaltiges Volumen erreicht. Um für die Notfallkäufe in der Coronakrise mehr Spielraum zu haben, ist die EZB bereit, ihre selbst gesetzten Grenzen aufzuweichen. Bisher galt zum Beispiel die Obergrenze, dass die EZB maximal ein Drittel der Staatsanleihen eines Eurolandes kaufen darf. Nun ist mit einer Ausnahmeregelung zudem auch der Ankauf von Staatsschulden Griechenlands möglich.
Starker Einbruch
Die Coronapandemie stürzt die Eurozone nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) in eine schwere Rezession. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sprach am Donnerstag von einem Konjunkturabschwung "in einem Ausmaß und einer Geschwindigkeit, wie wir es zu Friedenszeiten noch nicht gesehen haben".
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im gemeinsamen Währungsraum könnte nach Einschätzung der Notenbank heuer um 5 bis 12 Prozent schrumpfen. Bereits im ersten Quartal, das nur teilweise von Maßnahmen zur Eindämmung des Virus beeinträchtigt war, schrumpfte die Wirtschaft im Euroraum um 3,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Der deutliche Rückgang der ökonomischen Aktivität im April lasse einen noch stärkeren Einbruch im zweiten Quartal erwarten, sagte Lagarde.