Nach vier Wochen Corona-Zwangspause scharrt die deutsche Autoindustrie mit den Hufen für einen Neustart der Produktion. So teilte Volkswagen am Mittwoch mit, die schon auf kleiner Flamme laufende Produktion von Teilen an fünf deutschen Standorten ab Dienstag auszuweiten. Daimler kündigte an, ab dem 20. April in ersten deutschen Komponentenwerken die Werke schrittweise wieder anlaufen zu lassen.
Zugleich verlängerte Daimler die Kurzarbeit für einen Großteil der Beschäftigten um zwei Wochen bis Ende April. Bis dahin lässt auch BMW die Pkw-Montage noch ruhen. "Wir bereiten uns derzeit in Koordination mit unseren Lieferanten darauf vor, den Geschäftsbetrieb sukzessive wieder hochzufahren, sobald die Situation es zulässt", sagte BMW-Chef Oliver Zipse.
Hygienemaßnahmen
Mit Betriebsräten werden bei den Autobauern dazu umfangreiche Hygiene- und Schutzmaßnahmen vereinbart, um die Beschäftigten vor Ansteckung zu schützen. "Gesundheit geht beim Wiederanlauf der Volkswagen-Produktion vor Geschwindigkeit", erklärten VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh und der operative Chef der Marke VW, Ralf Brandstätter. Management und Betriebsrat vereinbarten Standards zu Schutzmaßnahmen und einen Fahrplan für die Phasen des Hochlaufs. Vorkehrungen wie verstärkte Desinfektion oder Arbeiten mit Schutzmasken und Handschuhen sollten mit der Zeit wieder zurückgefahren werden, damit das zunächst geringe Produktionstempo wieder zunehmen kann.
Druck für eine sukzessive Aufhebung der Corona-Maßnahmen machte unterdessen die Metall- und Elektroindustrie im Autoland Baden-Württemberg. Noch gelinge es den meisten Unternehmen, durch Kurzarbeit und andere Instrumente die Stellen der Kernbelegschaften zu halten. "Je länger die aktuellen Einschränkungen aber aufrechterhalten werden, desto wahrscheinlicher werden auch Jobs verloren gehen", erklärte Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick. Vielen Unternehmen stehe das Wasser bis zum Hals. Der Verband forderte "zeitnah eine Perspektive zum Neustart der Industrie, sobald sich die Zahl der Neuinfektionen stabilisiert hat".
Probleme mit Lieferanten
In Deutschland steht die Fahrzeugproduktion seit der zweiten März-Hälfte still - zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten, aber auch, weil die Autoverkäufe mit geschlossenen Geschäften einbrachen. Zudem erklärten die Hersteller, es fehlten Teile durch Probleme bei Zulieferern etwa in Italien. In dem am schlimmsten von Corona betroffenen Land verhängte die Regierung einen generellen Produktionsstopp. Zudem funktioniert die Logistik wegen Grenzkontrollen in Europa nicht gut, obwohl Waren von Reisebeschränkungen ausgenommen sind.
In Deutschland sanken die Neuzulassungen im März um 38 Prozent auf rund 215.000 Fahrzeuge. Da die Wirtschaft erst im März lahmgelegt wurde, gehen Experten von noch stärkerem Einbruch im April aus. Bei Daimler sank der Pkw-Absatz von Mercedes-Benz im ersten Quartal weltweit um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 477.400. Einziger Lichtblick war die sich belebende Nachfrage in China. Das Corona-Ursprungsland hat die erste schlimme Welle der Epidemie hinter sich und öffnet die Wirtschaft wieder. Beim Erzrivalen BMW war das Minus noch größer: Die Marke büßte von Jänner bis März 20 Prozent ein bei knapp 412.000 verkauften Autos. Trotz des Absatzrückgangs stellte Daimler-Finanzchef Harald Wilhelm operativ schwarze Zahlen in Aussicht.
Bayern will Kaufprämie
In Bayern übten Autoindustrie und Politik den Schulterschluss. Bei einem Termin mit BMW-Chef Zipse bekräftigte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder in München seinen Vorschlag einer staatlichen Kaufprämie, die den Absatz klimaschonender Autos ankurbeln soll. "Möglicherweise ist das jetzt sogar die Chance, mit einer innovativen Prämie die Wettbewerbssituation zugunsten der deutschen Hersteller international zu verbessern", sagte der CSU-Chef. BMW kündigte an, in die Massenproduktion von Atemschutzmasken einzusteigen. "Wir können sehr bald schon mehrere hunderttausend Masken am Tag produzieren. Das dient sowohl dem Schutz unserer Mitarbeiter als auch der Versorgung der Allgemeinheit."
Die Autoindustrie bereitet einen Produktionsanlauf unter Corona-Abwehrbedingungen vor. Zunächst werden nur wenige Beschäftigte an den Bändern stehen, um Abstand zu wahren. Mit Schutzmasken, Handschuhen, Desinfektion und Trennvorhängen werden die Arbeiter fast wie unter Laborbedingungen arbeiten.. Bei Daimler werden die Antriebswerke Stuttgart-Untertürkheim, Hamburg und Berlin schrittweise wieder hochfahren. Die Pkw-Montagewerke Sindelfingen und Bremen sowie die Van-Werke sollen folgen. Gleiches gilt für Lkw und Busse.
Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft riet der Autoindustrie dazu, die gestörten Lieferketten durch Produktion in Osteuropa wiederherzustellen. Es gebe dort wegen der geringeren Zahl an Corona-Infektionen nicht dieselben Probleme wie etwa mit Italien, sagte Hauptgeschäftsführer Michael Harms. "Hier wird es wesentlich schneller möglich sein, die Lieferketten wieder hochzufahren und Werke wieder zu eröffnen."