Im VW-Skandal um manipulierte Abgaswerte hat der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine wichtige Äußerung für betroffene Verbraucher gemacht. Die VW-Fahrer dürfen dem Gutachten zufolge in dem Land auf Schadenersatz klagen, in dem sie ihr Auto gekauft haben. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI), der 16 VW-Sammelklagen in Österreich eingebracht hat, jubelt.
Konkret ging es in den am Donnerstag veröffentlichten Schlussanträgen des EU-Generalanwalts um 574 Käufer manipulierter VW-Fahrzeuge, die ihre Rechte an den VKI abgetreten hatten. Der VKI brachte im September 2018 am Landesgericht Klagenfurt für sie eine Klage gegen Volkswagen ein.
Frage der Zuständigkeit
Das Kärntner Gericht aber bezweifelte, dass es überhaupt zuständig ist und rief den EuGH an. Üblicherweise müssen Klagen nämlich am Wohnsitz des Beklagten - in dem Fall Deutschland - eingebracht werden.
Es bestehen jedoch auch alternative Gerichtsstände, teilte Generalanwalt Campos Sanchez-Bordona in Luxemburg mit. Bei "Streitigkeiten wegen unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist", haben Kläger die Möglichkeit, "vor dem Gericht des Ortes zu klagen, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht".
Schaden in Österreich entstanden
Der Ort, an dem das für den Schaden ursächliche Geschehen eingetreten sei, sei Deutschland, da dort die manipulierten Fahrzeuge hergestellt wurden. Den Klägern ist der Schaden nach Meinung des Generalanwalts dort entstanden, wo sie ihr Fahrzeug gekauft haben, also in Österreich.
Zumal ein Autokonzern wie Volkswagen "mit Leichtigkeit vorhersehen habe können, dass seine Fahrzeuge in Österreich verkauft werden würden" und künftige Käufer hierzulande eine zivilrechtliche Haftungsklage gegen den Hersteller einbringen könnten.
Weiters geht der Generalanwalt davon aus, dass die Fahrzeugkäufer die unmittelbar Geschädigten sind. Die Autos hätten erst an Wert verloren, als die Manipulation an den Motoren bekannt wurde.
Die Anträge des Generalanwalts sind für die obersten EU-Richter nicht verbindlich, jedoch folgt der EuGH häufig seiner Empfehlung.
VKI positiv gestimmt
Der VKI ist naturgemäß erfreut. Mit den Schlussanträgen rücke die Aussicht auf Schadenersatz auch für österreichische Geschädigte näher, so der Verein in einer Aussendung. "Es wird VW schwerfallen, sich weiterhin einer Entschädigung der Betroffenen in Österreich zu verweigern. Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, dass amerikanische und nun auch deutsche Verbraucher entschädigt werden, österreichische Konsumentinnen und Konsumenten dagegen auf ihren Schäden sitzenbleiben sollen", so VKI-Chefjurist Thomas Hirmke.
VW indes hält an seiner bisherigen Meinung fest. Volkswagen teile die Rechtsansicht des Generalanwalts nicht, so Thomas Kustor und Sabine Prossinger von Freshfields Wien, der österreichischen Rechtsvertretung der VW AG, in einem schriftlichen Statement gegenüber der APA. "In der Vergangenheit ist der EuGH bei solchen Zuständigkeitsfragen dem Generalanwalt bereits öfter nicht gefolgt. Es bleibt daher abzuwarten, wie der EuGH entscheiden wird."
Der VKI moniert, dass VW die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte von Beginn an bestritten und damit die Prozessführung verzögert habe. Manche Landesgerichte und auch das Oberlandesgericht (OLG) Wien hätten ihre Zuständigkeit dennoch bereits bejaht. Weil das Landesgericht Klagenfurt den EuGH angerufen hat, seien die Verfahren weitgehend auf Eis gelegt worden.
Der VKI vertritt in der Causa VW insgesamt rund 10.000 Geschädigte, der Streitwert beträgt 60 Mio. Euro.