Die 250 Änderungsschneidereien und 2.000 Textilbetriebe in Wien werden damit beauftragt, Schutzausrüstung gegen das Coronavirus herzustellen und damit dem akuten Engpass an Importware entgegenwirken. So lautete eine von mehreren Maßnahmen, die Bürgermeister Michael Ludwig vor zwei Wochen öffentlich ankündigte. Die Nachfrage an Masken und Schutzkleidung ist nach wie vor ungebrochen hoch, eine Maske aus Wien aber nicht in Sicht.
Man befinde sich noch in der Organisationsphase, heißt es auf Nachfrage aus der Wiener Wirtschaftskammer. Da es sich um Masken für medizinisches Personal handeln soll, sei die Vorbereitung besonders aufwändig. Im Vergleich zu den ab heute vor Supermärkten verteilten Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) unterliegen die im medizinischen Bereich benötigten FFP-Masken wegen ihrer Filterwirkung strengeren Normen und sind aufgrund der dafür benötigten Materialien entsprechend schwieriger zu produzieren. Von einer laufenden Produktion kann in Wien aber noch keine Rede sein. Wann eine solche beginnen könnte, ist ungewiss. Es könne auch ganz schnell gehen, heißt es aus der Wiener Wirtschaftskammer.
Auf Aufträge der Stadt wartet Karin Pfeifenberger nicht. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Doris Pusch begann die Schneidermeisterin vor zwei Wochen in Penzing mit dem Vertrieb von selbst produzierten Masken und Schutzkleidung aus Baumwolle für derzeit unterversorgte Zahnärzte und den Privatgebrauch. Per E-Mail wurde sie nach der öffentlichen Ankündigung Ludwigs von der Wirtschaftskammer grob darüber informiert und gefragt, ob sie in ihrem Betrieb ein Kontingent dafür freimachen könnte. “Das haben wir auch angeboten, seither aber nichts mehr gehört", sagt Pfeifenberger. Manche ihrer Kolleginnen und Kollegen hätten nicht einmal besagtes E-Mail erhalten, berichtet sie.
Eine Produktion von FFP-Schutzmasken sei darüber hinaus in ihrem Betrieb gar nicht möglich, “weil wir hier nicht so steril arbeiten können, wie es erforderlich wäre,” sagt Pfeifenberger, die spätestens durch die von der Bundesregierung angekündigten Maskenpflicht in Supermärkten alle Hände voll zu tun hat: “Unsere Telefone explodieren. Wir haben alle Lieferanten, die wir kennen, abtelefoniert und hunderte Meter Stoff und Gummi organisiert. Jetzt müssen wir zu viert zuschneiden und nähen wie die Wahnsinnigen.” Ob sie vonseiten der Stadt und der Wirtschaftskammer noch mit einer Reaktion rechnet? “Wir als Unternehmer verlassen uns derzeit nur auf uns selbst. Ich komme jeden Tag in der Früh mit dem Auto in den Betrieb, arbeite den ganzen Tag und fahre am Abend wieder nach Hause. Da bleibt keine Zeit für andere Dinge.”
Gerne auf heimische FFP-Masken zurückgreifen würde der Wiener Krankenanstaltenverband KAV: “Die weltweit angespannte Marktlage ist ja bekannt. Wir als Spitalsbetriebe können nur über jeden Produzenten, der auch im Inland solche Masken in entsprechender Qualität produzieren kann, froh sein", sagt KAV-Sprecher Markus Pederiva, dem aber ebenfalls keine Details zum Vorhaben der Stadt bekannt sind. “Unabhängig davon haben wir mit Hochdruck daran gearbeitet, dass wir unsere FFP2- und FFP3-Masken wiederverwendbar machen", so Pederiva. Die Masken werden dafür bei 121 Grad Celsius dampfsterilisiert. “Gutachten vom Bundesministerium für Arbeit haben uns auch bestätigt, dass die Masken durch dieses Verfahren absolut keimfrei sind und in ihrer Filterwirkung nicht merklich nachlassen", erklärt der KAV-Sprecher. Dadurch können zumindest alle derzeit verfügbaren FFP2- und FFP3-Masken einmal wiederverwendet werden.
Andreas Terler