Dass Teile der Tourismus- und Reise-Branche besonders an den Folgen des Coronavirus zu leiden haben, zeichnet sich bereits seit der Vorwoche ab. Die Betroffenheiten sind sehr unterschiedlich gelagert, das Stimmungsbild pendelt zwischen „existenzbedrohend“ und „kaum bis gar nicht spürbar“. Österreichs Hotellerie macht keinen Hehl daraus, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen mittlerweile besorgniserregend sind, wie seitens der Hoteliervereinigung (ÖHV) betont wird. „Bei der repräsentativen Branchenbefragung der ÖHV letzte Woche lagen die Umsatzrückgänge bei 24.200 Euro. Jetzt, wenige Tage später, sind wir bei 97.300 Euro angekommen – pro Betrieb“, so ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer. Mehr als drei Viertel der Unternehmen vermelden laut der Befragung Buchungsrückgänge, 78 Prozent berichten von mehr Stornierungen. Alarmierend: Bereits jedes zehnte Hotel (11,5 Prozent) habe Mitarbeiter abgebaut. Die von der Regierung zugesagte Soforthilfe sei ein Gebot der Stunde. „In Wahrheit braucht es eine Tourismus-Milliarde“, sagt Reitterer, die für stark betroffene Betriebe auch eine befristete Senkung von Lohnsteuer und Lohnnebenkosten auf null fordert.
Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und WKÖ-Präsident Harald Mahrer wollen am Freitag „Sofortmaßnahmen zur Unterstützung der Tourismusbetriebe“ vorstellen.
Busunternehmen: „Ausfälle von nahezu 100 Prozent“
Ebenfalls in die Liga der besonders stark betroffenen Betriebe der Reisebranche reihen sich Busunternehmen ein. In der Steiermark wird für Montag sogar zu einem „Krisengipfel“ in der Wirtschaftskammer geladen. Innerhalb kürzester Zeit habe die „Panik rund um den Coronavirus für viele Betriebe ein existenzbedrohendes Ausmaß angenommen“, betont die Branchenvertretung. Im Bereich der Busreisen seien „Ausfälle von nahezu 100 Prozent“ zu beklagen. Daher wolle man am Montag „konstruktive Vorschläge zur Bewältigung dieser Krisensituation präsentieren“.
„Die Gäste warten ab“
Der Obmann der Fachgruppe Hotellerie in der Kärntner Wirtschaftskammer Sigismund Moerisch ist indes überzeugt, dass die Folgen der Coronavirus-Krise bereits im Wintertourismus zu spüren sein werden – „Mitarbeiter werden vorzeitig freigesetzt, Betriebe sperren früher als geplant zu.“ Vor allem Gäste aus dem mittel- und osteuropäischen Raum reagierten mit Stornierungen. Die Höhe des Schadens könne nicht beziffert werden. „Das wäre Kaffeesudleserei.“ Spürbar sei Zurückhaltung beim Buchungsverhalten für die Frühjahrs- und Sommermonate: „Die Gäste warten ab.“
"Reisebranche ist krisenerprobt"
Beim österreichischen Reiseverband (ÖRV), Interessensvertretung der bedeutendsten österreichischen Reisebüros und Reiseveranstalter, betrachtet man die aktuelle Situation differenziert. „Grundsätzlich liegen die Buchungen für die Sommerreisezeit, also zwischen Mai und September, über dem Vorjahr“, so ÖRV-Präsident Josef Peterleithner. In der Vorwoche habe man bei Neubuchungen einen Rückgang im zweistelligen Prozentbereich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum registriert. Tenor. „Es wird gebucht, aber weniger.“ Den Sorgen von Kunden, dass man bei Stornos um seine Kosten umfallen könnte, treten in der Branche zahlreiche Player entgegen, „viele Anbieter offerieren jetzt kostenlose Stornierungsmöglichkeiten“, so Peterleithner. Konsumenten wird geraten, sich über diese Möglichkeiten zu informieren. Die Reisebranche sei aber insgesamt krisenerprobt, verweist Peterleithner auf „unzählige Krisenfälle der vergangenen Jahre, von Naturkatastrophen bis Airline-Pleiten“. Die Erfahrung zeige, dass eine Rückkehr zur Normalität relativ rasch vonstattengehen könne, denn die Reiselust der Österreicher sei grundsätzlich vorhanden. Derzeit herrsche bei den heimischen Reisebüros „erhöhter Informationsbedarf vonseiten der Kunden“. Es sei ratsam, nun über Reiseveranstalter zu buchen, verweist Peterleithner auf Rücktrittsrechte im Zuge von Pauschalreisen.
"Viele Fragen zu Stornobedingungen"
Erhöhten Informationsbedarf bemerkt auch Andrea Springer in ihren Kärntner Reisebüros. „Extrem viele Kunden, die schon gebucht haben, kommen, um sich über die Möglichkeiten und Stornobedingungen zu erkundigen. Es geht dabei aber eher um Reisen, die im Zeitraum bis Ostern stattfinden“, sagt die Reise-Expertin. Erst gestern habe ein älteres Ehepaar die kurz bevorstehende Kreuzfahrt storniert. Angst bestünde bei den Kunden aber nicht hauptsächlich vor der Ansteckung durch das Coronavirus, sondern vor einer möglichen Quarantäne und deren unabsehbaren Folgen. Einen Rückgang bemerkt Springer aktuell auch bei den Buchungen für den Sommer: „Auch unsere Stammkunden sagen, sie wollen erst die Entwicklungen in den kommenden Wochen abwarten.“
Kärnten will mit Friaul und Venetien Zugang zu EU-Fonds
Weil sowohl Kärnten als auch Friaul-Julisch Venetien und Venetien im Tourismus und im Handel starke negative Auswirkungen befürchten, überlegen alle drei Regionen, gemeinsam den Zugang zum EU-Solidaritätsfonds zur Reduzierung der wirtschaftlichen Folgen zu beantragen. Die drei Regionen wollen Daten austauschen und gemeinsame Initiativen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Wirtschaft ergreifen. Ziel sei es, die Coronavirus-Folgen einzugrenzen.
Nur noch ein Drittel der üblichen Besucher . . .
Einbußen und Verunsicherung beschäftigen auch den Vorstand der Messe Graz, Armin Egger. Bei der Internationalen Hundeausstellung letztes Wochenende beklagte der Veranstalter, dass nur noch ein Drittel der üblichen Besucher gekommen und ein Fünftel der Aussteller ausgeblieben sei. Egger: „Auch unsere Tochter, die Messestände aufbaut, ist betroffen. In der Vorwoche haben wir 40 Sattelschlepper nach Frankfurt geschickt, dann ist diese Messe abgesagt worden.“ Auch in Hamburg, Kopenhagen, München seien Termine geplatzt, „wo wir für Kunden aufbauen sollten“.
In Deutschland stünden erste Messen vor der Insolvenz, in Graz versuche man, trotz Verunsicherung alles am Laufen zu halten. Egger: „Wir haben in den nächsten drei Wochen inklusive der Bundesliga-Spiele in der Merkur-Arena 40 Veranstaltungen mit 500 bis zu 10.000 Leuten. In Absprache mit der sehr umsichtig agierenden Behörde finden nach jetzigem Stand auch alle statt – mit zusätzlichen Maßnahmen für Sicherheit und Hygiene.“
Rückgänge bei Tagungsgästen und Urlaubern aus Italien seien schnell spürbar gewesen, sagte Steiermark-Tourismus-Boss Erich Neuhold. Gesamt gesehen sei positiv, dass man im bisherigen Winter um 150.000 Nächtigungen mehr als im Vorjahr verzeichne. „Dadurch gibt es einen gewissen Polster.“
Keine Corona-Stornos in Skigebieten
Keine Corona-Stornos will man in steirischen Skigebieten bemerkt haben: „Der letzte Samstag, der Tag nachdem der erste steirische Fall bekannt wurde, war einer der besten Tage der Saison“, sagt Planaiboss Georg Bliem. Am Wochenende hätten zudem 20 Planai-Busse Skigäste (vor allem aus Skandinavien) vom Flughafen Salzburg abgeholt. Kreischberg-Boss Karl Fussi hat eine mögliche Erklärung parat: „Wenn ein Virus umgeht, haben die Leute bei einem Outdoorsport wie Skifahren ein anderes Sicherheitsempfinden als etwa in einer Straßenbahn.“