Dass die US-Notenbank Fed wegen der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Auswirkungen des neuen Coronavirusreagieren würde, hat sich schon länger abgezeichnet. Zeitpunkt und Ausmaß kommen aber überraschend: Die Fed hat den Leitzins am Dienstag um einen halben Prozentpunkt gesenkt. Der Leitzins liege nun im Korridor von 1 bis 1,25 Prozent, teilte die Notenbank mit. Die nächste reguläre Sitzung der Notenbank, bei der über die Höhe des Leitzinses entschieden werden sollte, sollte eigentlich erst in zwei Wochen stattfinden.
Die Notenbank werde die Situation und deren wirtschaftliche Folgen weiter genau beobachten und "ihre Mittel nutzen, um angemessen zu reagieren, um die Wirtschaft zu stützen".
Die Notenbank hatte bereits Ende vergangener Woche erklärt, dass sie die Auswirkungen der Epidemie des neuen Coronavirus aufmerksam verfolge und notfalls zu handeln bereit sei. US-Präsident Donald Trump forderte die - von der Regierung unabhängige - Notenbank wegen der Auswirkungen des Coronavirus wiederholt zu Zinssenkungen auf. Er fürchtet - wohl auch im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im November - infolge der Epidemie eine Wachstumsdelle.
Die Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie belasten bereits die globale Wirtschaftsentwicklung. In den USA sind bisher jedoch erst rund 100 Ansteckungen und sechs Todesfälle gemeldet.
Die Fed hatte ihren Leitzins im vergangenen Jahr dreimal um je 0,25 Prozentpunkte gesenkt, ihn bei den letzten beiden Sitzungen jedoch in Anbetracht der soliden Wirtschaftsentwicklung und niedrigen Arbeitslosigkeit in den USA unverändert belassen.
"Wirtschaftliche Effekte noch unsicher"
Die Auswirkungen des Coronavirus für die US-Wirtschaft sind nach Ansicht von Notenbankchef Jerome Powell noch "in hohem Maße unsicher". Bisher gebe es allerdings bereits Berichte zu Störungen globaler Lieferketten und einem Rückgang in der Tourismus- und Reisebranche, sagte Powell am Dienstag vor Journalisten.
Gleichzeitig sei erkennbar, dass die Epidemie des neuartigen Coronavirus bereits Auswirkungen auf das Wachstum vieler Länder und die globalen Finanzmärkte habe, sagte der Fed-Chef.
"Die Dimension und die Nachhaltigkeit der gesamten Auswirkungen auf die Wirtschaft bleiben jedoch in hohem Maße unsicher", sagte Powell. Die US-Wirtschaft sei an ihren Kerndaten wie dem Wachstum und der niedrigen Arbeitslosigkeit gemessen weiter gut aufgestellt, sagte Powell. Um einen möglichen Wachstumsrückgang zu vermeiden, entschloss sich die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) aber zu einer präventiven Absenkung des Leitzinses. "Wir glauben, dass unser Handeln der Wirtschaft einen bedeutenden Anschub geben wird", sagte Powell.
"Alle geeigneten Instrumente einsetzen"
Nur wenige Stunden vor der Erklärung der Fed hatten die führenden westlichen Industrieländer (G7) ihren Willen bekundet, gegen die wirtschaftlichen Folgen der Krise vorzugehen. Die Verbreitung des neuartigen Coronavirus und die Auswirkungen auf Finanzmärkte und Wirtschaft würden genau beobachtet, hieß es in einer Erklärung der Finanzminister und Notenbankchefs der G7.
"Angesichts der möglichen Auswirkungen von Covid-19 auf das globale Wachstum bekräftigen wir unsere Verpflichtung, alle geeigneten politischen Instrumente einzusetzen, um ein starkes und nachhaltiges Wachstum zu erreichen und gegen Abwärtsrisiken zu sichern", hieß es. Die Finanzminister seien bereit, auch fiskalische Maßnahmen - also beispielsweise höhere Staatsausgaben - zu ergreifen, soweit dies notwendig sei. Zur Gruppe der G7-Staaten gehören die USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Italien.
Die Chefs von Fed, Bank of Japan und EZB hatten zuletzt bereits betont, dass man die wachsende Unsicherheit und steigende Risiken für die Konjunktur genau beobachte. "Wir sind bereit, bei Bedarf geeignete und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, die den zugrundeliegenden Risiken angemessen sind", erklärte auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Am Dienstag stellte auch die britische Notenbank geldpolitische Hilfen in Aussicht. Die Bank of England (BoE) sei bereit, die notwendigen Schritte zu unternehmen, damit die Wirtschaft die Belastungen der Coronavirus-Krise überwinde.
In Erwartung von Zinssenkungen hat der US-Börsenindex Dow Jones zu Wochenbeginn um mehr als fünf Prozent zugelegt und - punktemäßig - sogar das größte Tagesplus der >Geschichte eingefahren.