Dass es ein kräftiger Einbruch werden würde, war klar. Dass es aber so tief nach unten geht, sorgte am Samstag dann aber dennoch für einen Schock. Der chinesische Einkaufsmanagerindex PMI, gewissermaßen amtliches Stimmungsbarometer für die Industrie, ist im Februar auf 35,7 Punkte abgesackt. Das ist der schlechteste Wert „in Chinas Geschichte“, wie errechnet wurde. Nicht einmal zum Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren war der Index so massiv abgestürzt. Zur Erklärung: Erst ein Wert über 50 signalisiert Wachstum.
Die Wirtschaft in China leidet enorm unter der Corona-Krise, wochenlang standen in weiten Teilen des Landes die Werke still, der Konsum ist ebenfalls drastisch zurückgegangen, so ist etwa der Autoabsatz allein in der ersten Februarhälfte um 92 Prozent nach unten gestürzt.
Eine Momentaufnahme? Oder doch Vorboten für ein globales wirtschaftliches Donnerwetter? Für eine finale Antwort ist es mit Sicherheit noch zu früh, doch auch in anderen Teilen der Welt werden durchaus gravierende Folgen für die Wirtschaft befürchtet. Für das vom Coronavirus besonders betroffenen Italien geht das Wirtschaftsinstitut „REF Ricerche“ im ersten und zweiten Quartal 2020 mittlerweile von einem Einbruch der Wirtschaftsleistung zwischen einem und drei Prozent aus – das entspricht einem Minus von neun bis 27 Milliarden Euro.
"Ausmaß und die Schärfe haben überrascht"
An den Aktienmärkten schlagen bereits seit Tagen Rezessionssorgen durch. In der vergangenen Woche ging es an den Leitbörsen fast durchgehend im zweistelligen Prozentbereich nach unten. Der Wiener ATX kam auf ein Wochenminus von 10,3 Prozent, in Frankfurt schmierte der DAX um 12,5 Prozent ab, London und Paris meldeten die schlechtesten Börsenwochen seit dem Finanzkrisen-Jahr 2008. Viele Anleger fragen sich: Geht das Kursgemetzel weiter? Belastbare Prognosen könne ob der vielen Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit dem Coronavirus und seinen Auswirkungen derzeit niemand abgeben, so Josef Obergantschnig, Chefinvestor der Security KAG. Er räumt ein: „Das Ausmaß und die Schärfe der Korrektur in dieser Woche haben uns alle überrascht.“ Ein kleiner Lichtblick sei der Umstand gewesen, dass es am Freitag im Späthandel leichte Erholungstendenzen gab. Doch viel hänge nun von der Psychologie, dem Verhalten der Anleger ab. Panik sei jedenfalls kein guter Ratgeber, so Obergantschnig.
Entscheidend wird letztlich die Frage sein, wie lange der Ausnahmezustand anhält. Voll entbrannt ist unterdessen eine Debatte über verschiedene Facetten der globalisierten Wirtschaftswelt. Der Ökonom Friedrich Schneider attestiert, dass die vergangenen Wochen „die extreme Abhängigkeit von China“ verdeutlicht haben. Das sei zwar kein Geheimnis, aber man habe diesbezüglich vielfach „lange die Augen zugemacht“.
„Das stimmt sehr nachdenklich“
Die globalisierten Lieferketten seien durch Produktionsunterbrechungen und Lieferengpässe gestört worden, das zeige sich stark in der Maschinen- und Autoindustrie, vor allem aber auch in der Pharmazie, „das stimmt sehr nachdenklich“. Dass bei uns Medikamente knapp werden, weil weite Teile der Produktion gänzlich nach China ausgelagert wurden, dürfe nicht sein und werde „zu einem Umdenken führen müssen“, so Schneider. In strategisch so wichtigen Produktionsbereichen müsse es auch in Europa entsprechende Kapazitäten geben, auch das Thema Lagerhaltung spiele eine wesentliche Rolle. Es gelte nun, daraus zu lernen, und in Schlüsselbereichen die Abhängigkeiten wieder zu reduzieren. „Das vermeintliche Optimieren von Lieferketten bis in den letzten Promillebereich rächt sich“, so Schneider. Der Ökonom Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, sieht im Ö1-Gespräch die Weltwirtschaft an einem Wendepunkt angekommen. Seine Prognose: Es werde nun ein Umdenken einsetzen, dass die globalisierten Lieferketten sicherer und weniger krisenanfällig gemacht werden und Zulieferproduktionen näher an die Unternehmen heranrücken.
Gegen "blinden Aktionismus"
Mittlerweile werden auch schon Rufe nach Konjunkturpaketen laut. Dem kann Schneider wenig abgewinnen, „blinden Aktionismus lehne ich strikt ab“. Viele Probleme resultierten derzeit ja aus Lieferengpässen, „was soll man stimulieren, wenn ein Produkt nicht lieferbar ist?“, so Schneider. Sollten jedoch etwa auf den heimischen Tourismus ernste Schwierigkeiten zurollen, „würde ich beispielsweise eine Stundung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung als sinnvolle Maßnahme erachten“.