Am 2. Jänner des Jahres, die Zeiger stehen eine Minute nach 16 Uhr, treten Sebastian Kurz und Werner Kogler vor die versammelte Presse, um Österreichs erstes türkis-grünes Regierungsprogramm vorzustellen. Die Reaktionen darauf sollen später überwiegend wohlwollend ausfallen, speziell in der heimischen Start-up-Szene zeigt man sich zufrieden.
Es sei das „wahrscheinlich stärkste Regierungsprogramm in Bezug auf Start-ups“, hieß es etwa. Lobende wie mahnende Worte kamen von der Interessensvertretung AustrianStartups. Diese lässt bereits früh wissen, dass die „besten Visionen in der Start-up-Welt nichts wert sind, wenn die zentralen Maßnahmen nicht rasch umgesetzt werden.“
Um welche Visionen aber handelt es sich und wie weit sind sie gediehen? Wir rufen zunächst vier zentrale Versprechungen in Erinnerung.
Moderne Rechtsform. Die Regierung will eine neue Kapitalgesellschaftsform schaffen. Soll eine unbürokratische, digitale Gründung ermöglichen.
„Regulatory Sandboxes“. Innovative Start-ups dürfen unter gewissen Voraussetzungen Technologien erproben, deren Anwendung „sonst rechtlich nicht gedeckt ist“. Beflügelte in England den Bereich der Fintechs.
Anreize für Investoren. Eine steuerliche Absetzbarkeit von Anschub- und Wachstumsfinanzierung – lange und in der Start-up-Welt besonders vehement eingefordert – wird „geprüft“. Zudem soll die Verlustverrechnungsmöglichkeit bei Einkünften aus Kapitalvermögen „gelockert“ und auf mehrere Jahre ausgedehnt werden.
Dachfonds. Staatlich kofinanzierter Fonds, der Risikokapital zur Verfügung stellen soll.
Nun, so viel vorweg, umgesetzt wurde von der Regierung davon noch nichts. Der Dachfonds jedenfalls genieße hohe Priorität, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium auf Nachfrage, zudem will man bald einen „Start-up-Beauftragten“ nominieren.
Wo aber orten Experten nun besondere Dringlichkeit? „Das Regierungsprogramm ist toll“, sagt Herbert Gartner, Investor und führender Kopf der Beteiligungsgesellschaft eQventure, schnell. „Aber ich hoffe, dass es auch umgesetzt wird.“ Ein besonderes Anliegen sind Gartner naturgemäß die geplanten Anreize für Investitionen, denn „wir sind in Österreich europaweit fast an letzter Stelle, was den Einsatz von Venture Capital betrifft“. Im Großen und Ganzen sei es wichtig, die „Rahmenbedingungen zu verbessern, um mehr Spin-offs zu generieren“. Während etwa 20 Prozent aller Abgänger der ETH Zürich ein eigenes Unternehmen gründen, liegen vergleichbare Werte in Österreich bei „drei Prozent“ (Gartner).
„Springender Punkt ist der Transfer der Ideen in die Realität“, bewertet Bernhard Weber die vorgelegten Ideen der Regierung vorsichtig. Der Geschäftsführer des „Zentrums für Wissens- und Innovationstransfer (ZWI)“ wünscht sich von politischer Seite zunächst ein „klares Bekenntnis“ zum Bereich Start-ups, der häufig als „PR-Thema“ herhalte.
Welche Maßnahmen laut Weber schnell umsetzbar und wichtig für den Start-up-Standort wären? „Zum Beispiel, die Budgets der Austria Wirtschaftsservice (AWS) langfristig, etwa auf fünf Jahre, zu fixieren.“ Damit könnten Unsicherheiten reduziert werden und die Förderstelle effizienter arbeiten. „Jetzt“ angehen müsse man auch das Thema Incentivierung von Steuern. Weber: „Für eine Steuererleichterung brauche ich auch keinen Start-up-Beauftragten.“