Die Verhandlungen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer stocken. Die USA blockieren Insidern zufolge die Einigung auf ein Abschlussdokument, weil sie sich an bestimmten Formulierungen zum Klimawandel stoßen. China ist wegen der Coronavirus-Epidemie nicht mit hochrangigen Vertretern beim Treffen der G20-Finanzminister in Saudi-Arabien vertreten.
Das Virus dürfte die ohnehin schon schwache Weltwirtschaft weiter bremsen. Auch bei den Gesprächen über eine globale Steuerreform gibt es weiter unterschiedliche Ansichten. Deutschland, Frankreich und andere europäische Länder machten diesbezüglich Druck. "Dieses Jahr müssen wir zu einer Entscheidung kommen", sagte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz mit Blick auf die geplante Besteuerung von Digitalriesen.
Klima als Risiko für Wirtschaft
In einem neuen Entwurf für das Abschlusskommunique wird der Klimawandel als ein Risiko für die Wirtschaft genannt. Diplomaten sagten, die USA wollten diesen Verweis weglassen. Klima sei der letzte kritische Punkt. "Es gibt noch keine Einigung", so einer der Insider. Das Coronavirus spielt in dem jüngsten Entwurf zudem eine weniger prominente Rolle bei den ökonomischen Risikofaktoren. Dort heißt es dazu lediglich, die Beobachtung der möglichen Risiken solle verbessert werden. Konkrete Maßnahmen gegen die Epidemie werden nicht erwähnt. Nach japanischen Angaben schätzen die allermeisten Länder das Virus aber als Risiko ein. Es brauche eine abgestimmte Antwort, so Finanzminister Taro Aso.
IWF-Chefin Kristalina Georgiewa sagte in Riad, die endgültigen Folgen des Virus seien noch nicht abzuschätzen. Sie geht in diesem Jahr von einem Wachstum der chinesischen Wirtschaft von 5,6 Prozent aus. Das wären immerhin 0,4 Punkte weniger als noch im Jänner vorausgesagt. "Das globale Wachstum wäre rund 0,1 Prozentpunkte niedriger." Viele Firmen in China produzieren weniger oder zum Teil gar nicht mehr wegen des Virus. Damit funktionieren weltweit verknüpfte Lieferketten immer öfter nicht mehr, so dass auch Unternehmen am anderen Ende der Welt die Folgen spüren können. Zuletzt hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Beschleunigung des globalen Wachstums um 0,4 Punkte auf 3,3 Prozent in diesen Jahr prognostiziert. Seitdem sorge das Virus aber für Unsicherheit, so Georgiewa. Der IWF spiele auch düstere Szenarien durch.
In Italien sind binnen weniger Stunden zwei Menschen an dem Virus gestorben. In China steckten sich nach Behördenangaben zwar weniger Menschen an als in den Tagen zuvor, dafür stieg die Zahl der Neuinfektionen nun aber in anderen Ländern - in Südkorea verdoppelte sie sich sogar.
Scholz: "Bin verhalten zuversichtlich"
Scholz zeigte sich unterdessen nicht mehr ganz so zuversichtlich, dass eine globale Steuerreform zustande kommt. "Alle wollen in diesem Jahr eine Lösung und alle haben auch verstanden, dass es schlecht wäre, die Dinge noch einmal ins nächste oder übernächste Jahr zu vertagen, weil es viel zu viele internationale Konflikte mit sich bringt", so der Sozialdemokrat. "Deshalb bin ich verhalten zuversichtlich." Zuletzt hatte sich Scholz dazu optimistischer geäußert.
137 Länder haben sich unter Federführung der Industriestaatengruppe OECD im Grundsatz für eine Reform ausgesprochen. Damit sollen die Steuerregeln an das Digitalzeitalter angepasst werden. Insbesondere soll Steuervermeidung bei global tätigen Internetkonzernen wie Apple, Facebook, Google und Amazon verhindert werden. Die Klärung technischer Details gestaltet sich aber schwierig. Unter anderem sind die konkreten Auswirkungen auf die einzelnen Länder noch nicht klar - und bieten entsprechend Sprengstoff.
Sollte es eine Einigung geben, könnte dies laut OECD zu zusätzlichen Einnahmen aus der Körperschaftssteuer von weltweit 100 Milliarden Dollar (92,58 Mrd. Euro) pro Jahr führen. Sollte das Vorhaben dagegen scheitern, dürften weitere Länder eigene Digitalsteuern einführen - wie dies unter anderem in Großbritannien, Spanien und Frankreich geplant ist. Das würde wohl auch den Handelsstreit mit den USA anheizen.
Globale Mindeststeuer?
Die OECD-Überlegungen beinhalten zwei Säulen - eine globale Mindeststeuer und eine neue Verteilung der Besteuerungsrechte bei digitalen Dienstleistungen auf die einzelnen Länder. Davon würden vor allem große Schwellenländer profitieren, die USA hätten Einbußen. Unklar ist, ob beide Säulen parallel kommen und wie verbindlich die neuen Regeln für Unternehmen sein sollen. Scholz bekräftigte, es werde nur eine Gesamtlösung geben, wenn es eine Verständigung auf beide Säulen gebe. Er lehnte das von US-Finanzminister Steven Mnuchin bevorzugte Optionsmodell für Unternehmen ab. Die multinational agierenden Firmen dürften sich nicht aussuchen, welche Steuern sie zahlen wollten. "Wohin soll das führen?" Mnuchin zufolge sind die Länder nur bei der Mindeststeuer nah an einer Lösung.
Die Digitalunternehmen selbst stellen sich bereits auf höhere Steuern ein. Facebook-Chef Mark Zuckerberg unterstützte bei der Münchner Sicherheitskonferenz die Reformpläne der OECD. "Und wir akzeptieren, dass dies ein neues Regelwerk bedeuten könnte, dass wir künftig mehr Steuern bezahlen, und dies in unterschiedlichen Ländern."