Die einen sind bald satt. Die anderen haben es längst satt. Es ist ein Wettlauf der Gegensätze, auf der „Grünen Woche“, der weltweit wichtigsten Agrarmesse in Berlin.
Während schon am Eröffnungstag 50.000 Besucher zwecks Magenverwöhnung auf der beliebten „Fress-Mess“ zum Kulinarik-Jetset durch 71 Länder antreten (und in der weißbierseligen Bayernhalle die Steigerungsform des Wortes „Oktoberfest“ erprobt wird), lassen Greenpeace-Aktivisten an den Messe-Eingängen die Sau raus. Aufblasbar, aber riesig. Sie protestieren gegen Billigfleisch und die damit einhergehenden Tierhaltungsformen.
Gleichzeitig treten deutschlandweit Zigtausende Bauern zum Gegenprotest an und legen mit ihren Traktoren in zahlreichen Großstädten - Berlin inklusive - Freitagmittag wichtige Straßen lahm. Die Duftmarke, die sie bei Kunden hinterlassen wollen: Ständig steigende Auflagen bei ständig fallenden Preisen - das geht sich nicht aus.
Tulpen, Tiere, Transparenz - und Technik
Um Stadt und Land wieder näher zueinander zu bringen, geht’s in den 27 (!) monumentalen Messehallen der Grünen Woche nicht nur ums Essen. Sondern auch um Tulpen, Tiere, Transparenz und Technik. Allein in der Blumenhalle blühen 100.000 Pflanzen, durch die Tierhallen wuseln fast ausgestorbene Nutztierrassen genauso wie Zuchtpudel, es gibt Schaubauernhöfe und Österreichs Traktorenbauer Steyr präsentiert ein futuristisches Hybrid-Modell.
Burjatien, Tatarstan, Bashkortostan
Russland, das in den letzten Jahren in Berlin wegen EU-Sanktionen am Abstellgleis stand, lässt heuer gleich auf 5000 Quadratmetern agrarische Muskeln spielen. Und zeigt, dass selbst Teilrepubliken unter der westlichen Wahrnehmungsschwelle wie Burjatien, Tatarstan oder Bashkortostan professionell Exportmärkte erobern wollen.
Österreichs Agrar-Exporte auf Rekord-Hoch
Dies wiederum ist Lebensmitteln „Made in Austria“ im letzten Jahr überaus gut gelungen. Wie die Chefs der Agrarmarkt Austria (AMA) Michael Blass und Franz Windisch in Berlin bekannt gaben, sind Österreichs Agrar-Exporte im Vorjahr mit plus 6,5 Prozent deutlich stärker gestiegen als die Importe (plus 4,6 Prozent). Die Ausfuhren seien auf einem Allzeithoch und das Handelsdefizit „klein, wie ewig nicht mehr. Womöglich wird Österreich schon in dieser Dekade vom ewigen Netto-Importeur zum Netto-Exporteur“.
Red Bull sorgt für Export-Boom in die USA
Vor allem die Ausfuhren von Fleisch und Käse nach Deutschland brummten 2019 (insgesamt plus 7,5 Prozent, siehe Grafik). Starke Steigerungen gab es aber auch bei Exporten nach Großbritannien (Vorziehkäufe wegen Brexit-Sorgen), in die USA (dank Red Bull, das in die Statistik fällt) und nach China. Hier stiegen die Schweinefleisch-Exporte von 2,5 auf 30,8 Millionen Euro, da China wegen der Schweinepest die Hälfte seines Bestandes keulen musste.
Die Tierseuche ist auch der Grund, warum es auf der Grünen Woche zwar vielerlei Getier zu bestaunen und sogar Insekten zu essen gibt, aber kein (echtes) Schwein zu sehen ist.
Ulrich Dunst