Klaus Schwab versteht sich als Moderator der Weltbühne. Der legendäre Begründer des World Economic Forum in Davos hat zur Jubiläumsauflage des Gipfeltreffens den Staatsoberhäuptern und Konzernchefs Neuerfindung vorgegeben, um der bedrohlichen Erwärmung der Erde und ihrer politischen und sozioökonomischen Zerklüftung vereint entgegenzuwirken: „Stakeholder für eine solidarische und nachhaltige Welt“, schilderte Schwab als Thema für das 50. Jahrestreffen des WEF von 21. bis 24. Jänner 2020 aus.
Zimmer um 8000 Euro
Noch regieren ungehemmte Markthebel in dem Schweizer Nobelskiort. Die zwei letzten freien Appartements bei Booking.com kosten 4192 bzw. 8374 Euro. Pro Nacht. 100.000 Franken kostet der Anflug per Gulfstream-Jet von New York nach Zürich, wo man wie in Friedrichshafen am Bodensee täglich 130 Privatjetflüge mehr als sonst zählt, ehe es mit Helikoptern ins Landwassertal geht. Immer öfter auch mit Unterhaltungsstars für Partyglamour.
Wirtschaftsgipfel wird Klimagipfel
So wird es mit den 2800 Teilnehmern vermutlich der teuerste Klimagipfel der Geschichte. Denn die Erwärmung von Atmosphäre und Globus lässt im verschneiten Davos Wirtschaftseiszeiten mit Zollkriegen fast zur Nebensache schmelzen. Dafür sorgt nicht nur der alarmierende Welt-Risikobericht, den der WEF am Mittwoch in London veröffentlicht hat und der für das kommende Jahrzehnt Naturkatastrophen, Klimawandel und Artensterben als größte Bedrohungen zeichnet. Nach Ozeanverschmutzung, Datenklau und Cyberkriegen folgen weit abgeschlagen erst Handelskonflikte und Spekulationsblasen.
„Teenage Changemakers“
Vielmehr hat vorweg bereits auch Greta Thunberg das Ihrige zur Themensetzung beitragen. „Wir verlangen“, verlautbarte sie namens der Friday-for-Future-Bewegung, dass die teilnehmenden Staaten und Konzerne alle Investitionen in fossile Brennstoffe beenden, und zwar „unverzüglich und vollständig“. „50 Prozent der Weltbevölkerung sind unter 27 Jahre. Wir müssen den jungen Menschen zuhören“, sagt Schwab. Er lud erstmals noch zehn „Teenage Changemakers“ zum WEF ein.
Kommt Trump trotz Impeachment-Krise?
Neben 53 angemeldeten Staats- und Regierungschefs, 300 Ministern und hunderten Top-Managern, insgesamt zu 75 Prozent Männer, die von 5000 Armeeangehörigen beschützt werden, auch unter Beteiligung des österreichischen Bundesheeres.
Allen voran US-Präsident Donald Trump, der dem Vernehmen nach die Eröffnungsrede halten wird, seine zugesagte Teilnahme könnte aber wegen des Impeachment-Verfahrens noch ins Wackeln kommen. So oder so eher nichts wird aus einem Treffen mit Greta Thunberg, die selbst ein Referat „Den Klima-Kollaps abwenden“ halten wird. Schwab hat der 17-jährigen Aktivistin aus Schweden versprochen, die Teilnehmer ein Dokument dazu unterzeichnen zu lassen.
Neues Davos Manifest
Vorsorglich hat Schwab dem WEF selbst eine Klimaauffrischung verpasst und das seit 1973 gültige Davos-Manifest im Dezember 2019 überarbeitet der Öffentlichkeit vorgestellt. Angereichert mit „ethischen Prinzipien, um Unternehmen in das Zeitalter der Vierten Industriellen Revolution zu führen“. So diene ein Unternehmen nicht mehr nur den Aktionären, sondern „allen Interessengruppen – Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, dem lokalen Gemeinwesen und der Gesellschaft als Ganzem“. Mitarbeiter seien mit Würde und Respekt zu behandeln, Menschenrechte entlang der Lieferkette zu sichern und Datensicherheit zu gewährleisten. „Ein Unternehmen setzt sich dafür ein, Garant des ökologischen und materiellen Universums zukünftiger Generationen zu sein.“
"Eliten sind Teil des Problems"
Für Aktivisten von Umweltorganisationen und Zivilgesellschaft erscheint das in Davos kreierte „Global Village“ als ein globaler Machtzirkel, der seit einem halben Jahrhundert Wirtschaften auf Kosten des Erdballs zulässt und betreibt. „Die Eliten, die nach Davos kommen, sind Teil des Problems“, sagt Jennifer Morgan von Greenpeace Europa in der Dokumentation „Das Forum - Rettet Davos die Welt?“. Für den Film von Marcus Vetter, den „ORF2“ am Sonntag um 23.05 Uhr zeigt, ließ Schwab erstmals ein unabhängiges Team hinter die Kulissen des WEF-Imperiums blicken.
"Pfarrer will Sünder in der Kirche"
Dass die Stiftung unter 1000 Mitgliedsbetrieben auch Partner wie den Saatgutkonzern Monsanto führt, verteidigt Schwab, dass bei Monsanto „nicht alles so schwarz“ sei wie es aussehe. „Wenn Sie Pfarrer in einer Kirche wären, möchten Sie, dass die Sünder am Sonntag in Ihre Kirche kommen und möchten sie nicht aussperren“, setzt Schwab auf Dialog. Zum Klimathema weist er darauf hin, dass das WEF als Erster dem Club of Rome ein Podium zu den Grenzen des Wachstums gewährte.
Das ist ein halbes Jahrhundert her, so lange, wie es auch das Weltwirtschaftsforum in Davos gibt. Viele dort geschwungene Reden entpuppten sich als hohl, etwa als 2017 Chinas Staatschef Xi Jinping Freihandel beschwor, oder 2018 Trump Kooperation und beides in einen Handelskonflikt eskalierte. Im Fokus steht in Davos 2020 aber der Klimawandel. Man wird sehen, wer beiträgt zum WEF-Motto: „Verpflichtet, den Zustand der Welt zu verbessern.“
Sebastian Kurz mit Grün-Appeal
Mit dem „Green Deal“, mit dem die EU mit einer Billion Euro klimaneutral werden möchte, kommt die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit passendem Gepäck zum WEF-Jahrestreffen. Ein Zusammentreffen mit US-Präsident Donald Trump, der die Eröffnungsrede halten soll, könnte sich den anhaltenden Zollspannungen mit den USA widmen. Der ebenfalls in Davos angesagte Bundeskanzler Sebastian Kurz darf mit Aufmerksamkeit für das Regierungsbündnis mit den Grünen rechnen. Kurz wird am 24. Jänner einen Redeauftritt haben, Treffen sind geplant mit EZB-Chefin Christine Lagarde, sowie einigen CEOs, zum Beispiel von Apple, ABB und Novartis. Nicht teilnehmen wird Boris Johnson. Der britische Premier hat kurz vor dem geplanten Brexit am 31. Jänner 2020 andere Prioritäten.
Bundesheer hilft bei Luftraumschutz
Auch in diesem Jahr unterstützt Österreich die Schweizer Armee beim Schutz des Luftraums über dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Vom 20. bis 25. Jänner sind 1000 Bundesheer-Soldaten an der Operation „Daedalus 2020“ beteiligt. Zwölf Flächenflugzeuge, darunter vier Eurofighter, und zehn Hubschrauber sind im Einsatz. „In den sechs Einsatztagen ist in einem Radius von 45 Kilometern nämlich nur autorisierter Flugverkehr erlaubt“, so Wolfgang Prieler, Leiter des Fachstabs Luft des Kommandos Streitkräfte gestern bei einer Pressekonferenz am Flughafen Innsbruck, während der zwei Eurofighter dreimal den Airport überflogen. Die Eurofighter hätten als Luftpatrouillen das ganze österreichische Staatsgebiet im Blick. Am Boden setzt das Bundesheer darüber hinaus auf zusätzliche Radargeräte in Tirol und Vorarlberg. „Wir kümmern uns mit Radarsensoren um Bewegungen in der Luft und am Boden“, ergänzte der Militärkommandant von Tirol, Herbert Bauer. So sei beispielsweise auch eine Bewachung der Luftfahrzeuge notwendig, erklärte Bauer.
Adolf Winkler