Befragt nach dem Klima der Gespräche, loben sich beide Seiten gleichermaßen. „Es verläuft homogen und ist von Verständnis getragen“, sagt Michaela Guglberger, Gewerkschaft Vida. „Das Klima ist konstruktiv“, stimmt Walter Marschitz, Geschäftsführer des Verbandes der österreichischen Sozial- und Gesundheitsunternehmen (SWÖ), zu, ergänzt aber auch: „Inhaltlich sind wir weit auseinander.“
Am Mittwoch treffen sich Gewerkschaft (Vida, GPA) und die private Sozialwirtschaft zu einer weiteren Verhandlung über den Kollektivvertrag für 125.000 Beschäftigte. Eine Einigung ist nicht zu erwarten – der nächste Termin ist mit 29. Jänner bereits fixiert.
Riesige Personallücke
Die gegenseitige Wertschätzung der Partner darf außerdem nicht über die inhaltliche Brisanz hinwegtäuschen. Ein wesentlicher Teil der Sozialwirtschaft ist die Pflege, und Sozialminister Rudi Anschober (Grüne) bestätigte gerade erst, dass Österreich bis 2030 mehr als 75.000 neue Pflegekräfte benötige (41.000 gehen in Pension). Zwar betonen Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite, dass es die KV-Verhandlungen nicht beeinflusse, wenn nun die Regierung auf den Plan trete, um den drohenden Pflegenotstand abzuwenden. Aber die Fakten tun es.
Eine einzige Forderung
Die Gewerkschaft ging mit einer einzigen Forderung in die Verhandlungen, und zwar der nach der Senkung der Normalarbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. „Wenn man will, dass mehr Leute den Pflegeberuf ergreifen, muss er attraktiver werden“, nimmt Gewerkschafterin Guglberger den Ball dankbar auf. „Die 35 Stunden können zu einem Merkmal der Branche werden und würden junge Leute anspornen.“
Die Teilzeitquote ist mit mehr als 70 Prozent hoch, daraus eine große Personalreserve abzuleiten, ist zum Teil Theorie. Denn Sozialarbeit ist belastend, wie oft betont wird, und Vollzeit sei gar nicht überall gewünscht, sagt Guglberger.
Lösung nicht in der Schublade
SWÖ-Chef Marschitz nimmt die Forderung ernst, sie aktuell umzusetzen, sei aber außer Reichweite. Teilzeitbeschäftigte kämen auf ein Lohnplus von bis zu 8,6 Prozent, Vollzeitkräfte hätten 18 Tage mehr Freizeit im Jahr. „Wir erwarten nun Vorschläge, worüber wir wirklich verhandeln sollen, zum Beispiel über einen Zeitplan. Dann können wir sagen, ob es für uns einen Weg gibt oder nicht. Es ist eine sachliche Frage und keine ideologische.“
Dass sich die Regierung des Themas annehmen wolle, begrüßt Marschitz. „Es ist dringend notwendig. Die Dramatik nimmt zu. Es ist aber kein einfaches Thema. Ich kenne niemanden, der die Lösung in der Schublade hat.“ Der SWÖ präsentierte im Herbst Forderungen, unter anderem nach einem Ausbau des Ausbildungsangebotes und einer Rekrutierung im Ausland.