Magna-Europa-Präsident Günther Apfalter hat in einer Reaktion auf das Regierungsprogramm angedeutet, dass zu hohe Belastungen durch CO2- und Umweltsteuern Verlagerungen von Graz nach Slowenien nach sich ziehen könnten. Er hofft, dass Ihr Wirtschaftsministerium hier als „Übersetzer“ zu den grünen Regierungsmitgliedern fungiert. Sehen Sie sich auch in einer Übersetzer-Rolle?
MARGARETE SCHRAMBÖCK: Ich habe das Interview auch gesehen, er hat dabei ja auch die guten Verbindungen zum Wirtschaftsministerium hervorgehoben, das kann ich bestätigen. Gerade zu Leitbetrieben wie Magna muss es einen guten Draht geben, meine Rolle war es früher schon, die Wirtschaft auch zu vertreten und mich für sie einzusetzen – das werde ich auch weiterhin tun, in unterschiedlichsten Bereichen, das reicht von Steuern über Standortfragen bis hin zum Fachkräftethema.
Haben Sie Apfalters Worte als Drohung empfunden?
Ich habe das nicht als Drohung empfunden, es gibt eine neue Regierung, er hat klar gesagt, dass er sich das jetzt ansehen wird. Die Unternehmen müssen in diesem Bereich natürlich auch erst wieder Vertrauen fassen. Wir haben ja auch gesagt, dass für diese bestimmten Bereiche Taskforces installiert werden, genau deshalb, wir wollen viele Stimmen hören, auch die der Wirtschaft, der Wissenschaft – und daraus dann gute Maßnahmen ableiten.
Letztlich geht es um die Frage, wie der Spagat zwischen Wettbewerbsfähigkeit und notwendigem Klimaschutz gelingt.
Standort stärken, Arbeitsplätze sichern und die Umwelt schützen – das sind keine Widersprüche, die Unternehmen selbst schaffen das ja auch, zeigen das vor und setzen bereits zahlreiche Maßnahmen im Umweltbereich um, gerade in der Umwelttechnik haben europäische und speziell österreichische Unternehmen Vorbildfunktion.
Werden Sie auch in der Taskforce vertreten sein?
Wir werden die erst gründen, sie ist unter der Leitung des Finanzministeriums und des Umweltressorts. Es werden aber auch Vertreter anderer Ministerien, der Wissenschaft, der Wirtschaft vertreten sein.
Viele Vorhaben sind sehr vage formuliert, könnte das nicht auch zu einer Investitionszurückhaltung führen, so lange nicht klar ist, wie etwa eine CO2-Bepreisung ausgestaltet ist?
Für Investitionen gibt’s ja viele Entscheidungskriterien. Das stärkste ist derzeit die Verfügbarkeit von Fachkräften. Ein weiteres die generelle Steuersituation – sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Unternehmen. Und klar ist: Unternehmen brauchen Verlässlichkeit und dieses Regierungsprogramm zeigt schon Verlässlichkeit, neben Steuersenkungen geht es auch um Förderungen für Investitionen, eine Forschungs- und Entwicklungs- sowie Standortstrategie, die wir entwickeln werden. Das Thema der CO2-Bepreisung ist sicher auch eine Komponente, aber nicht die einzige. Ziel ist es, Vertrauen zu schaffen, indem man die Wirtschaft einbindet.
Wäre es dann nicht taktisch sinnvoll, die Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 21 Prozent sofort durchzuziehen?
Zuerst machen wir jetzt das Budget, das ist dringlich und muss bis 1. April an die EU übermittelt werden. Dann werden wir das Schritt für Schritt durchführen. Ich werde mich aber natürlich dafür einsetzen, dass die Steuern so schnell wie möglich gesenkt werden. Ich bin aber auch für die rasche Senkung der Einkommenssteuersätze, weil das kurbelt die Nachfrage an.
Sie kommen aus der Wirtschaft, waren im Top-Management tätig – ist es nicht ein erheblicher Makel, dass das Regierungsprogramm keine Modelle zur Gegenfinanzierung enthält?
Wir müssen nicht darüber reden, wir müssen es tun. Wenn Unternehmen das schaffen, Familien das schaffen, auch die können nicht dauerhaft mehr ausgeben als einnehmen, dann muss es auch der Staat schaffen. Da gibt es noch extrem viel Potenzial, gerade durch eine Digitalisierung. Ich sehe keinen Makel, wir werden das einfach tun.
Stichwort Tun. Welche Punkte sehen Sie als die Leuchtturmprojekte Ihres Ressorts?
Intensiv wird im Bereich der Digitalisierung weitergearbeitet, ein Leuchtturmprojekt ist da „Once Only“. Ziel ist es, Bürgern und Unternehmern ihr Leben so zu erleichtern, dass sie ihre Daten nicht immer und immer wieder zu unterschiedlichen Behörden bringen müssen. Ein kleines Beispiel: Wenn ein mittelständisches Unternehmen übersiedelt, muss der Eigentümer dafür derzeit sieben verschiedene Behörden informieren – die gleichen Daten sind in sieben verschiedenen Formen abzugeben, einmal in Papierform, einmal digital. Meine Vision ist es, dass diese Daten nur einmal digital eingegeben werden müssen. Die unterschiedlichen Behörden holen sich dann jeweils zentral die für sie nötigen Daten.
Wie geht es bei der Reform der Berufsausbildung weiter?
Wir wollen österreichweit die duale Akademie etablieren, mit der verkürzten Lehrzeit von zwei Jahren nach der Matura und der Lehre für Erwachsene. Mit dem Berufsausbildungsgesetz neu werden auch die Lehrberufe werden überarbeitet und modernisiert, es kommen auch neue hinzu. Den Begriff Lehrlingsentschädigung will ich abschaffen, das ist noch immer mein Ziel, denn die Wertschätzung beginnt in der Sprache.
Das Standortentwicklungsgesetz wurde im Oktober von der EU gerüffelt, es steht ein Vertragsverletzungsverfahren im Raum. Wie geht es damit weiter?
Ich sehe das ganz gelassen. Wir haben Experten wie Professor Walter Obwexer miteinbezogen. Wir warten auf das Ergebnis und die Antwort aus Brüssel, dann werden wir weitersehen. Wenn man die Erläuterungen zum Gesetz genau liest, dann weiß man auch, wie es auszulegen ist.
Ihr Ressort ist jetzt auch für das Bundesrechenzentrum zuständig, welches Ziel verfolgen Sie?
Das sind 1300 Mitarbeiter, wir bauen da ein digitales Kompetenzzentrum für die gesamte Verwaltung auf.
Sie haben das Bundesrechenzentrum als „Hüter des Datenschatzes der Republik“ bezeichnet. Stichwort Cybersecurity – ist der massive Hackerangriff auf das Außenministerium ein Weckruf? Haben wir Nachholbedarf?
Wir haben sicherlich Handlungsbedarf, uns hier stärker aufzustellen, das haben wir auch erkannt, haben ein Kapitel zur Cybersicherheit in das Regierungsprogramm aufgenommen.
Die Konjunkturkulisse ist heute eine ganz andere als bei Ihrer Amtsübernahme Anfang 2018.
Wir sehen in Österreich eine deutliche Reduktion des Wirtschaftswachstums. Die Prognosen gehen jetzt zumindest wieder leicht nach oben, das ist gut, ich hoffe, dass das auch stabil ist, aber darauf kann man sich nicht verlassen. Im Vergleich zu anderen Ländern wie Deutschland sind wir aber deutlich besser unterwegs. Es geht jetzt darum, durch Steuersenkungen die Nachfrage zu stimulieren und Unternehmen zu entlasten. Auch der Export spielt eine wesentliche Rolle. Mein Ziel ist es auch weiterhin, neue Märkte zu erschließen.
Gab es bei den Koalitionsverhandlungen besonders harte Knackpunkte?
Natürlich gab’s die. Es kann sich nicht immer jeder zu 100 Prozent in den Punkten des anderen wiederfinden, wir wollten aber kein Regierungsprogramm, das nur noch lasch und fad ist vor lauter Kompromissen, wie das früher bei Großen Koalitionen gerne der Fall war. Wir können auch Europa zeigen, dass das möglich ist, sonst könnte ich ja nur noch mit jemandem koalieren, der genau meiner Meinung ist und das wird sich bei dieser Parteienvielfalt, die es in Europa, in Österreich gibt, nicht mehr ausgehen. Darum ist so ein neuer Versuch wichtig, etwas neues zu leben – aber eben auch umzusetzen. Reden ist Silber, umsetzen und machen ist Gold.
Welche Reaktionen haben Sie von Unternehmern erhalten?
Großteils positive, aber wir werden an der Umsetzung gemessen werden – nicht an dem, was wir geschrieben haben, das ist gut, aber jetzt geht’s um das Machen und Tun.
Auf den Ibiza-Knall und das Zerbröseln der türkis-blauen Koalition folgte eine Polit-Schlammschlacht. Haben Sie sich da je gedacht, der Politik wieder den Rücken zu kehren?
Ich bin damals nach Tirol und dort Tal auf, Tal ab unterwegs gewesen Ich hatte viel Zeit, Gespräche zu führen, etwa mit Menschen aus dem Pflegebereich, dem Bildungssystem. Ich konnte in verschiedenste Themenbereiche eintauchen, neue Einblicke bekommen. Also, nein, an Abschied habe ich nicht gedacht. Ich habe den Weg in die Politik nicht bereut, ich bin jetzt auch gerne wieder da.