Daten sind die Zukunft – wie wird die digitale Zukunft in der Realität aussehen?
ANDREAS BIERWIRTH: Zum einen geht es um ein Netz mit ausreichender Breitbandkapazität zu jeder Zeit an jedem Ort. Mit dem Internet der Dinge werden immer mehr Geräte vernetzt, beim Thema Videotelefonie und Streaming geht es um riesige Datenmengen, die zur Verfügung stehen müssen.
Brechen wir es herunter – was wird in einem Haushalt in fünf bis zehn Jahren alles vernetzt sein?
Im Haushaltsgerätebereich und im elektronischen Entertainment wird alles vernetzt sein, im Gesundheitsbereich wird man Gesundheitszustände sehen und messen können. Die Informationen über den Ort der Person und den der Wohnung werden vernetzt, um zum Beispiel nur dann zu heizen, wenn man auch zu Hause ist. Auch beim Kinderspielzeug fängt die Vernetzung an. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt, die Frage ist, ob die Menschen alles annehmen. Und für mich als Netzhersteller ist nur eine Frage wichtig: Um wie viele Daten geht es? Und wie bringe ich das Netz in jeden Keller und jede Ecke?
Was wird denn im Bereich Smart City kommen, was es heute noch nicht gibt?
Da haben wir die großen Themen Verkehrssteuerung und autonomes Fahren sowie Parkhausmanagement oder Müllmanagement. Der Müllwagen kommt nur, wenn die Tonne voll ist. In Europa, glaube ich, wird das wegen der gewachsenen Strukturen aber später kommen als auf anderen Kontinenten, wo vieles neu und im Aufbau ist. Da können Schwellen- und Entwicklungsländer rasch aufholen.
Vorausgesetzt, sie nutzen das und machen nicht alle Fehler, die wir gemacht haben.
Viele Länder wollen eine Rolle in der globalen Wirtschaft spielen. Da wird die Smart City gebaut, weil die Chance der Digitalisierung für wichtiger erachtet wird als der Datenschutz. Wir geben dem Datenschutz einen höheren Stellenwert. Das ist einerseits gut, weil wir uns bewusst damit auseinandersetzen, andererseits schlecht, weil wir möglicherweise der Digitalisierung nur mehr hinterherschauen. Das ist für Europa herausfordernd und kann zum Nachteil werden.
Sie sagen, die Videotelefonie wird Standard werden, und das lineare Fernsehen hat ein Ablaufdatum. Warum?
Die jetzige Datenlimitierung ist ein Hauptgrund dafür, nicht von überall über alle mobilen Geräte per Video zu telefonieren. Das machen wir nur, wenn wir im WLAN sind. 5G wird das fundamental ändern. Es wird völlig egal sein, wie viel der Kunde verbraucht. Damit wird sich das Thema Fernsehen und Videotelefonie von überall und mit jedem Gerät immer mehr durchsetzen.
Wenn die Daten unlimitiert sind, steigen dann die Preise für die Konsumenten?
In unserer Industrie ist die Nachfrage von der Preiserwartung entkoppelt. Wenn bei uns ein Kunde heuer 10 Gigabyte verbraucht und im nächsten Jahr 20 Gigabyte, hat er nicht das Gefühl, dass seine Nachfrage gestiegen ist. Wenn der Preis dafür von 20 auf nur 21 Euro steigt, ist das pro Gigabyte eine deutliche Verbilligung, der Kunde wird aber immer sagen, der Preis ist gestiegen. Dieses Gefühl wird bei 5G mit unlimitierten Tarifen zunehmen. Wir müssen also den Kunden klarmachen, dass ein unlimitiertes Angebot auch seinen Preis hat.
Wann werden alle 5G verwenden können?
Ende 2022 wird die flächendeckende Versorgung weitgehend erreicht werden, auf alle Fälle in Wohngebieten und entlang der Straßen. Gar nicht so sehr wegen der Autos, sondern weil die Fahrer, während sie gefahren werden, fernsehen oder im Internet surfen wollen – ein wichtiges Thema für uns wegen der Datenmengen.
Ein Thema, das mit 5G wieder diskutiert wird, ist die Strahlung der Masten. Zu Recht?
Bei 5G gibt es technologische Euphorie, aber auch diese Sorge. In der jetzigen Form ist die Skepsis absolut nicht berechtigt. Ein Beispiel: Die Hauptstrahlung geht vom Gerät aus. Hat es nicht genug Empfang, sucht es und entwickelt es eine Eigenstrahlung. Nur gute Netze verhindern das. Oder: Viele fürchten sich vor der 5G-Antenne, die außerhalb der vier Wände steht, fast niemand fürchtet sich vor WLAN-Routern im Haus, das sind aber auch Antennen, die senden, und technologisch sehr ähnlich. Kein Mensch fürchtet sich vor LTE. Obwohl 4G oder 5G fast keinen Unterschied ausmachen. Die Sorge ist da, oft aber irrational.
5G ist also nicht gefährlich? Wirklich oder nur, weil Sie als Anbieter es behaupten?
Wirklich, und ich will ja selbst kein Gesundheitsrisiko eingehen. Unter Einschaltung des gesunden Menschenverstands halte ich 5G nicht für gesundheitsgefährdend. Niemand kommt auf die Idee, sich eine Glühbirne an die Wange zu halten. Genauso ist es mit Antennen. Niemand wird sich die Antenne des WLAN-Routers an den Kopf halten oder das Handy stundenlang am Ohr festbinden.
Wenn all das kommt, was Sie skizziert haben, werden gigantische Server für die Daten notwendig sein. Sind die Mobilfunkkonzerne die CO2-Sünder und Klimakiller der Zukunft?
Nein. Wir müssen das Thema aber ernst nehmen und tun das auch. Wir haben unser Unternehmen vor vier Jahren durch erneuerbare Energie und Zertifikatekauf CO2-neutral gemacht. Zusätzlich ist der Energieverbrauch neben Antennenmieten und Netzausbau der große Kostentreiber.
Wird nicht gerade Streaming das künftige CO2-Problem?
Ja, Streaming ist einer der größten neuen Energieverbraucher, die nötigen Cyberfarmen und Rechnerzentren sind extrem energiestark, wie Kraftwerke. Das muss man adressieren, wie überhaupt ein moderner Manager das Thema CO2-Neutralität im Fokus haben muss.
Datensicherheit ist ein Pflichtprogramm heute. Wie stellen Sie sicher, dass die Ihnen von den Kunden anvertrauten Daten sicher sind?
Datensicherheit ist sehr wichtig, weil ja die Kriminalität im Netz zunimmt. Beim Thema Datensicherheit, Datenumgang müssen wir unsere Kunden aufklären und müssen wir unser Netz so sicher machen, dass es nicht geknackt werden kann. Da arbeiten die besten Cyberspezialisten daran. Wir müssen sicherstellen, dass ein Einbruch ins Netz nicht passiert.
Ein Schlüsselplayer beim Aufbau der 5G-Netze ist das chinesische Unternehmen Huawei. Viele befürchten, dass man sich so den Chinesen sicherheitstechnisch ausliefert. Ist diese Angst berechtigt?
Diese Sorge besteht zu Recht und Europa hat sich mit diesem Problem viel zu spät befasst. Die Schlüsselindustrien im Telekombereich sind hier zum größten Teil eingegangen oder können nicht mehr die nötige Qualität liefern. Huawei ist mittlerweile Qualitätsführer im Bereich Netzqualität. Dazu kommt, dass chinesische Anbieter stark im Westen vertreten sind, westliche Anbieter aber nicht nach China hineinkommen. Statt Huawei auszusperren, wäre es wichtiger, zu überlegen, wie wir bei 6G wieder die Führerschaft erobern können. Wir müssen die Telekom-Infrastruktur als Schlüsselindustrie anerkennen, ähnlich wie die Rüstungs-, Flugzeug- oder Automobilindustrie, und sie in Europa wieder aufbauen.
Zeigt Huawei und 5G, dass Europa den technischen Anschluss verloren hat?
Zum Teil: ja. Es gibt ja noch Nokia und Ericsson. Aber wir laufen hinterher. Wir wären gut beraten, zu forschen und sicherzustellen, dass bei 6G nicht wieder die Hoheit bei den Chinesen landet.
Was sind denn die Folgen für Europa, dass wir da keine Rolle mehr spielen?
Eine zunehmende Abhängigkeit von Anbietern, die wirtschaftspolitisch anderen Blöcken zugerechnet sind.
Führt Europa eine digitale Wertediskussion, während die restliche Welt uns abhängt?
Wir haben eben keine Wertediskussion geführt und so verabsäumt, dass Telekommunikation ein Schlüsselsektor ist. Europa fehlt im digitalen Sektor die Erkenntnis, dass wir zu den führenden Kontinenten gehören wollen, und uns fehlt ein positiv progressives, ganzheitliches Bild einer digitalisierten Welt. Wir schaffen es mittlerweile, die Digitalisierung durch Regulierung wirklich zu verlangsamen. Der Preis dafür ist, dass die Schlüsselindustrien in der digitalisierten Welt woanders entstanden sind und wir abhängig werden von diesen. Das halte ich für eine sehr gefährliche Entwicklung.
Michael Csoklich