Im Morgengrauen war der Poker entschieden: Um vier Euro schob der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon seinem österreichischen Amtskollegen Vizekanzler Josef Pröll das Milliardengrab Hypo Alpe Adria über den Tisch. Vor 250 Bankfilialen bis nach Dubrovnik stand Security, um 7.30 Uhr früh konnte ein Bank-Run abgesagt werden. In Klagenfurt legte Konkursrichter Johannes Schnabl das Konkursedikt für die Hypo ab, dem die Pleite des Landes Kärnten gefolgt wäre. „Es war eine Notsituation“, sagte Pröll hinterher über die lange Nacht der Messer vom 13. auf den 14. Dezember 2009, die mit der Verstaatlichung der Hypo endete, „um großen volkswirtschaftlichen Schaden von der Republik abzuwenden“.

Notverstaatlichung ohne Not

Auch zehn Jahre später will er nicht mehr dazu sagen, wiewohl mit dem Griss-Bericht der Vorwurf der „Notverstaatlichung ohne Not“ im Raum steht (siehe Interview). „Es war die größte Herausforderung in der Politik, ich hatte schon vorher Bauchweh“, erinnert sich Reinhold Lopatka, damals Staatssekretär. Schon vorher hatte er Einschätzungen der Nationalbank und die Notwendigkeit einer Verstaatlichung angezweifelt. „Der Poker dauerte die ganze Nacht. Ein drohender Bank-Run und Schlagendwerden der Milliardenhaftungen für Kärnten standen im Raum“, beschreibt Andreas Schieder.

Merkel, Trichet warnten

„Es lastete auf allen ein unbeschreiblicher Druck, zu einem Ergebnis zu kommen“, erinnert sich der damalige Grawe-Generaldirektor Othmar Ederer. „Es ging um extrem viel Geld, um unwägbare Auswirkungen.“ Von europäischer Dimension. Angela Merkel schaltete sich telefonisch bei Kanzler Werner Faymann ein, EZB-Präsident Jean-Claude Trichet warnte Nationalbankpräsident Ewald Nowotny vor einem Flächenbrand auf dem Balkan.

Bizarrer "Abwehrkampf"

Jörg Haiders politische Erben, peinlich überfordert, bejubeln tags darauf einen gewonnenen Abwehrkampf: „Wir haben Historisches erreicht“, vergaß LH. Gerhard Dörfler, dass noch 20 Milliarden Euro Landeshaftungen auf der Hypo klebten. 50  Euro Trinkgeld, das Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler einem Kellner in der Verstaatlichungsnacht antrug, wurde zum Symbol, wie Haiders Erben die dramatische Lage verkannten.

Kaiser: "Schauderhaftes Pokerspiel"

„Kärnten wurde in einem Jahre vor der Verstaatlichung  begonnen schauderhaften Pokerspiel von den damaligen Landesverantwortlichen im Grunde genommen als Einsatz missbraucht", sagt Landeshauptmann Peter Kaiser. "Eine in der Nacht zum 14. Dezember beschworene drohende Insolvenz als Alternative zur Notverstaatlichung hätte auch die Kündigung hunderter Hypo-Angestellter in Kärnten und auch außerhalb bedeutet. Dass in dieser „Nacht der langen Messer“ von der damaligen Landesspitze 200 Millionen Euro als Beitrag Kärntens „gesetzt“ wurden, dafür aber wie schon beim Verkauf an die Bayern zuvor, sämtliche Milliardenhaftungen, die unter Jörg Haiders Verantwortung in irrlichternde Höhe getrieben wurden, um sich und seine Brot-und-Spiele-Politik finanzieren zu können, erdrückend auf Kärntens Schultern blieben, erscheint heute noch unfassbar verantwortungslos", so Kaiser, der auf nun die aktuell guten Wirtschaftsdaten Kärnten verweist. Kärnten sei vom Pannenstreifen auf die Überholspur gewechselt.

Bad Bank kam zu spät

Nach Verstaatlichung scheiterte die Hypo-Sanierung unter Gottwald Kranebitter und Finanzministerin Maria Fekter. „Man hätte die Bad Bank von der lebensfähigen Bank viel eher abspalten sollen“, so Othmar Ederer.

Hypo-U-Ausschuss

Ein Hypo-Untersuchungsausschuss blieb 2015/16 nach 20 Monaten im 1400-Seiten-Bericht uneins. Haftungsgrenzen für Bundesländer und keine Doppelrollen für Wirtschaftsprüfer wurden als Konsequenz empfohlen.