Nach jahrelangen Verhandlungen rückt eine Entscheidung zur Besteuerung von Finanzgeschäften in Europa näher. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat seinen europäischen Kollegen einen finalen Vorschlag für eine Finanztransaktionssteuer vorgelegt.
Der Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den zuvor die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, sieht vor, dass in zunächst zehn Ländern eine Steuer auf Aktienkäufe eingeführt wird. "Wir sind jetzt erstmals seit 2011 so weit, dass wir eine Vereinbarung erreichen können", schrieb Scholz seinen europäischen Amtskollegen. Den einzelnen Staaten bleibe zugleich die Möglichkeit, weitergehende nationale Regeln zu vereinbaren.
Verhandlungen seit 2011
Neben Deutschland beteiligen sich Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien an dem Vorhaben. Über die Steuer auf Aktienkäufe wird seit 2011 auf europäischer Ebene verhandelt - lange stockten jedoch die Gespräche. Im Oktober hatten die Minister Scholz gebeten, einen Vorschlag vorzulegen.
Wer Aktien großer Unternehmen mit Hauptsitz im Inland kauft, soll demnach künftig eine Steuer von 0,2 Prozent an den Fiskus entrichten. Dies soll aber nur für Aktien von Unternehmen mit einem Börsenwert von mehr als eine Milliarde Euro gelten. In Deutschland sind das laut Ministerium 145 Firmen.
Die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer sollen in Deutschland zur Finanzierung der Grundrente genutzt werden - darauf hatte sich die Große Koalition im November verständigt. Das deutsche Finanzministerium rechnet mit Einnahmen von anfänglich rund 1,5 Mrd. Euro.
Skepsis aus Österreich
Österreich reagiert skeptisch auf die Pläne des deutschen Finanzministers. Die Regierung setze sich auf EU-Ebene "für eine möglichst breite Bemessungsgrundlage" bei der Erhebung der Steuer ein, teilte das Finanzministerium in Wien mit.
Im vorliegenden Vorschlag sollten jedoch nur Aktien besteuert werden und "keine synthetischen Anlageprodukte und Derivate". Zudem sei der Hochfrequenzhandel befreit.
Eine EU-weite Finanztransaktionssteuer war schon 2013 an weit auseinanderliegenden Vorstellungen über Tragweite und Modalitäten gescheitert. Zuletzt versuchten noch zehn EU-Länder, die Steuer über die sogenannte verstärkte Zusammenarbeit einzuführen.
Deutsche Sicht
Mit der kritischen Haltung steht das Finanzministerium nicht alleine da. Auch der SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer und die kapitalismuskritische Nichtsregierungsorganisation Attac äußersten sich kritisch zu dem Entwurf. Attac beanstandete insbesondere den mangelnden Effekt auf Spekulationsgeschäfte. "Die Scholz-Steuer hilft nicht gegen den sekundenschnellen elektronischen Wertpapierhandel, sie hilft nicht gegen die hochriskante Spekulation mit Derivaten und allem anderen, was außerbörslich gehandelt wird. Sie hilft überhaupt nicht", so Detlev von Larcher, Steuerexperte der Attac.
Die Steuer sei "eine reduzierte Aktienumsatzsteuer, aber eben keine Finanztransaktionssteuer, wie sie ursprünglich geplant war", sagte auch Krainer laut einer Aussendung. Dabei sei es ein zentrales Ziel gewesen, den "spekulativen algorithmengesteuerten Hochfrequenzhandel einzudämmen, um die Finanzmärkte gegenüber Spekulation robuster zu machen," heißt es in der Aussendung. Positiver eingestellt war dagegen die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner. "Eine Aktiensteuer ist zwar nur ein Teil einer Finanztransaktionssteuer, aber diesen Anstoß gilt es zu nützen, damit wir eines Tages eine schlagkräftige Finanztransaktionssteuer hinbekommen", so Regner.
Kritik erntete Scholz aber nicht nur aus Österreich, sondern auch aus dem eigenen Land. Die Pläne seien "pures Gift für den Investitions- und Finanzstandort", sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Denn Steuererhöhungen senden ein völlig falsches Signal." Die deutschen Grünen sehen in dem Vorschlag einen "Etikettenschwindel", der Großanleger verschont und dagegen kleinere Anleger besteuert.