Der Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Theodor Thanner, sieht die Unabhängigkeit der Behörde durch die Regierung gefährdet. Inmitten der Ermittlungen zum größten Kartell in der Geschichte drohe das Wirtschaftsministerium, die BWB personell und finanziell auszuhöhlen. "Kartellierung ist eine Form von Korruption", so Thanner. Wer die Aufklärung behindere, mache sich zum Komplizen.
Wenn es eine Weisung des Ministers gibt, "kann es sein, dass ich Mitarbeiter von Hausdurchsuchungen zurückholen muss", warnte Thanner am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Laut Thanner will das Wirtschaftsministerium durch eine Novelle einen Teilbereich der BWB, die internationale Verbraucherbehördenkooperation, der Weisung unterstellen. Dadurch würde indirekt beeinflusst, wogegen die Behörde ermitteln kann. Wie Thanner sagte, soll der Gesetzesentwurf "demnächst" vorgelegt werden und in Begutachtung gehen. In diesem Punkt gab das Wirtschaftsministerium gegenüber der APA Entwarnung, die Bundeswettbewerbsbehörde solle weisungsfrei bleiben.
"Wettbewerbsfeindliches Mindset der Beamten"
Thanner beklagte am Dienstag vor Journalisten, dass er schon seit längerer Zeit bemerke, wie Ermittlungen der BWB erschwert und behindert würden. So habe ein Mitarbeiter neun Monate auf einen Ausweis warten müssen. Einen solchen Mitarbeiterausweis brauche man aber für Hausdurchsuchungen. Thanner nannte dies "Bürokratiespiele". Auch die Teilnahme an einer Pressekonferenz gegen unfaire Geschäftspraktiken mit der damaligen Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sei versucht worden, zu verhindern. Stattdessen sollte er, so Thanner, in einem monatlichen Jour fixe, berichten, worüber die BWB gerade ermittle. Ein weiteres Beispiel sei das niedrige Ausbildungsbudget der BWB von 130 Euro pro Mitarbeiter und Jahr.
Thanner kritisierte ein wettbewerbsfeindliches "Mindset der Beamten" im Wirtschaftsministerium. Das habe sich auch durch die sogenannte Übergangsregierung nicht geändert. So sei im Sommer durch einen "administrativen Akt" versucht worden, dass er, so Thanner, einwillige, dass das Ministerium jederzeit Mitarbeiter und Budget der BWB entziehen könne. "Das habe ich natürlich nicht unterschrieben", sagte Thanner.
Ermittlungen gegen rund 50 Baufirmen
Thanner mahnte zu Wachsamkeit. Aus seiner Sicht wäre eine weisungsgebundene Kartellbehörde verfassungs- und EU-rechtswidrig. Auch die EU-Kommission habe ein "wachsames Auge darauf". "Ich vertraue auf den Rechtsstaat", sagte Thanner, der sich "gegebenenfalls, wenn die Behinderungen weitergehen," auch an das Parlament wenden will. Schon seit 2018 werde die Wettbewerbskommission, ein Beirat der BWB, gesetzeswidrig vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) geführt, hieß es von der BWB.
Thanner ist seit 13 Jahren Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde. Sein Vertrag war 2017 von der damaligen SPÖ-ÖVP-Regierung um fünf Jahre bis Juni 2022 verlängert worden. Der steigende Druck auf die BWB fällt laut Thanner zeitlich mit den Ermittlungen gegen rund 50 Baufirmen zusammen. Seit 2017 ermittelt die BWB gemeinsam mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und dem Bundeskriminalamt.
Von der Dimension her sei es die größte Kartellermittlung in der Geschichte der BWB, so Thanner. Die Bauunternehmen, darunter die branchengrößten Konzerne, sollen bei öffentlichen Bauprojekten wie Krankenhäusern, Kasernen oder Kindergärten die Angebote abgesprochen haben und damit die öffentliche Hand und letztlich die Steuerzahler um viele Millionen Euro geschädigt haben. Strabag und Porr haben bereits bestätigt, dass bei ihnen Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden. Insgesamt geht es in den Ermittlungen mittlerweile um ein Bauvolumen von rund 1 Mrd. Euro und eine vierstellige Anzahl an Bauvorhaben, bis ins Jahr 2003 zurück. Den Unternehmen drohen Rekordstrafen.
Thanner warnte, dass es auch außerhalb Österreichs den Trend gebe, den Wettbewerb einzuschränken. Wenn Politiker in Deutschland und Frankreich wie etwa bei der gescheiterten Bahnfusion von Siemens und Alstom von "europäischen Champions" sprechen, sei das nichts anderes als die Forderung nach einem Monopol. "Champion heißt immer Monopol", das muss man wissen", mahnte Thanner. Dies sei nicht gerade förderlich für Innovation und schade gerade kleineren Ländern und den dortigen kleineren und mittleren Unternehmen (KMU).
Ministerium: "Teilen Befürchtungen und Kritik nicht"
Zu Thanners Kritik am Wirtschaftsministerium hielt dieses auf APA-Anfrage fest, dass man die "aktuellen Befürchtungen und Kritikpunkte der BWB" nicht teile, das Kabinett bestätigte aber, dass es gesetzliche Änderungen geben soll. "Die Wettbewerbsbehörde ist selbstverständlich weisungsfrei beim Vollzug. In die Kernkompetenz der Behörde wird nicht eingegriffen. Die Umsetzung der EU-Verordnung über die Verbraucherbehördenkooperation fällt jedoch nicht in die Kernkompetenz der Wettbewerbsbehörden", heißt es in einer Stellungnahme.
Das Ministerium gibt damit in puncto Weisungsfreiheit indirekt Entwarnung: Die Verbraucherbehördenkooperation soll demnach aus der BWB herausgelöst und direkt im Wirtschaftsministerium angesiedelt werden, erklärte ein Sprecher - so bleibe die BWB weisungsfrei. Der BWB zugeordnete Mitarbeiter sollen aber nicht abzogen werden. "Grundsätzlich ist es aus Ressortsicht nicht zielführend, der BWB zusätzliche Aufgabenfelder zu übertragen, die zulasten der bestehenden Ressourcen gehen würden", betonte das Ministerium. Die EU-Verordnung über die Verbraucherbehördenkooperation sei eine EU-Vorgabe und bis 17. Jänner 2020 in nationales Recht umzusetzen.
Zu dem von Thanner angesprochenen "administrativen Akt" erklärte der Ministeriumssprecher, dass dies eine reine Budget-Information gewesen sei und keiner Unterschrift bedurft habe. Zur Wettbewerbskommission hielt das Ministeriums fest: "Die Geschäftsstelle für diese Kommission liegt nach wie vor bei der BWB. Das BMDW stellt lediglich einen Raum für Arbeitstreffen zur Verfügung."