Wie fühlen Sie als Tourismusmanager Friaul Julisch-Venetiens mit dem flutgepeinigten Venedig mit?
LUCIO GANIERO: Natürlich sehr! Meine Frau ist Venezianerin und mit unserem Haus in Venedig bin ich auch persönlich betroffen. Ich hätte in Venedig auf einer Konferenz einen Vortrag über Algorithmen im Tourismus halten sollen. Abgesagt.
Auch ohne Algorithmen war eine solche Flut einmal absehbar.
Ja, weil die Schleusen, welche die Stadt schützen sollen, leider nicht fertig sind. Sie sind auch nicht die endgültige Lösung, denn Venedig umgibt ein sehr komplexes Ökosystem.
Es gibt eine Ahnung vom Untergang der Serenissima. Der Schaden ist gigantisch. Wie werden global Touristen reagieren?
Der Schaden ist schrecklich, ist enorm. Die Welt aber wird Venedig noch emotionaler adoptieren. Die Welt liebt Venedig als die schöne und spezielle Stadt, die allen gehört, so ihr Slogan: „City of the World“. Und die steht in Kürze wieder auf. Venedig ist so resilient.
Woran sieht man die Resilienz, diese Widerstandsfähigkeit?
Die sah man auch nach der Jahrhundertflut 1966. Venedig ist Hochwasser gewohnt. Es ist kurios: Venedig wurde in der Lagune auf Wasser errichtet, damit diese sie vor dem Wasser schützt. Mit dem Meer ist es aber immer eine Schlacht.
Die man nun zunehmend wegen des Klimawandels verliert.
Das kann man mit Sicherheit sagen aufgrund der extremen Wetterphänomene. Wir haben schon im Vorjahr am 30. Oktober den verheerenden Sturm Vaia im Veneto und in Friaul mit katastrophalen Windwürfen in den Dolomiten erlebt. Das war ein irrer Orkan. Jetzt hat das Hochwasser die ganze Küste der Oberen Adria betroffen. Durch Flut werden immer wieder Teile von Stränden abgetragen. Sogar in Grado gibt es Zerstörungen. Wir haben für die kommenden zwei Jahre eine gemeinsame Werbestrategie mit dem Veneto für die Küste von Venedig bis Triest. Die Flut rührt jetzt hohe Emotionen an.
Kommt ein rascheres Aus für Kreuzfahrtriesen in der Lagune?
Das Thema kommt jetzt sicher auch akut auf den Tisch.
Ihre Tourismusstrategie an der Oberen Adria, auf Nachhaltigkeit zu setzen, wird wohl bestärkt.
Sicher ist Nachhaltigkeit Top auf der Agenda. Es ist ein generelles Konzept, das wir aber auf drei Ebenen umsetzen müssen: In Bezug auf Umwelt, auf das Soziale und die Wirtschaftlichkeit. Das gilt bei uns hinauf bis in die Bergregionen. Eines der 17 SDG, der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung, betrifft besonders das Wasser. Die Nachhaltigkeit muss durchgängig praktiziert werden. Wir zeigen es von der Aktion plastikfreier Strand in Lignano bis zur Reduktion von Kunstschnee und Wasserverbrauch in den Skigebieten. Die kleinen Betriebe des Agritourismo von den Casini in der Laguna di Marano bis in die Berge vernetzen wir auch für nachhaltigen Geschäftserfolg.
Wir bringen Sie das Thema und Angebot auf den Weltmarkt?
Wir starten ein sehr großes Projekt über die 17 SDG, die 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Wir planen 17 große Kulturinstallationen über die gesamte Region verteilt mit bekannten Künstlern aus aller Welt, die wir gerade auswählen. Und wir suchen auch noch Sponsoren dafür, die Teil der Botschaft von Nachhaltigkeit sein wollen.
Sahen Sie das achtwöchige Klimaprojekt „For Forest“, den Wald im Fußballstadion in Klagenfurt?
Das ist mir neu, aber es ist eine schön Idee. Unser Projekt soll dauerhaft bleiben und langfristig Bewusstsein schaffen.
Im ökologisch freundlichen Rad- und Wandertourismus setzen Sie gemeinsam mit Österreich auf den Alpen Adria Trail. Wie rollen Sie das weiter aus?
Wir bauen regionale Radwege aus und wollen die Fuga 300, die irre Flucht vom Gletscher ans Meer, vom Großglockner nach Grado, zum internationalen Radevent machen.
In Triest boomt der Hafen. Soll es mit mehr Kreuzfahrtschiffen ein kleines Venedig werden?
Triest sehen viele als Kulturstadt mit dem kulinarischen Karst. Wir präsentieren es nun auch als Stadt am Meer, mit Kitesurfen, Tauchen, Segeln mit der Barcolana als Höhepunkt. Kreuzfahrtgästen wollen wir mehr von Triest und Umland zeigen als Schloss Miramare. Friaul Julisch-Venetien bleibt die Dachmarke, aber es gibt weltweit keine Marke mit drei Namen. Auf die Märkte gehen wir mit Marken wie Triest, Grado, Lignano, oder San Daniele, Montasio. Collio, Zoncolan.
Österreichische Gäste retteten 2019 Ihre Vorsaison und damit das stärkste Sommersaison-Plus in Italien. Was tun Sie zur Saisonverlängerung an der Oberen Adria?
Das Wichtigste für eine längere Saison sind offene Geschäfte. Die neue Therme in Grado wird einen starken Schub bringen.
Adolf Winkler