Das stärkste Exportwachstum seit fast zwei Jahren mindert die Rezessionsgefahr in Deutschland. Die von Handelskonflikten, schwacher Weltkonjunktur und Brexit-Chaos gebeutelten Unternehmen steigerten ihr Auslandsgeschäft im September um überraschend kräftige 1,5 Prozent zum Vormonat, teilte das deutsche Statistische Bundesamt am Freitag mit.
Das Plus fiel fast viermal so stark aus wie Ökonomen erwartet hatten. Hinzu kommt, dass der Rückgang der Ausfuhren im August mit revidiert 0,9 Prozent nur halb so groß war wie zunächst ermittelt. "Dies ist allerdings kein Grund zur Entwarnung und auch noch keine Trendwende", sagte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann angesichts anhaltender Risiken wie dem EU-Abschied Großbritanniens.
Doch keine Rezession?
"Durch die unerwartete Erholung der Exporte könnte Deutschland aber eine Rezession in letzter Minute vermieden haben", sagte der Deutschland-Chefvolkswirt der ING, Carsten Brzeski. Bisher gingen Ökonomen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal zum zweiten Mal in Folge um 0,1 Prozent geschrumpft ist. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von einer Rezession gesprochen. Das gab es zuletzt um den Jahreswechsel 2012/13. DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle hält nach dem Exportplus nun "eine schwarze Null" für möglich, womit Europas größte Volkswirtschaft denkbar knapp an einer Rezession vorbeischrammen würde. Ob es tatsächlich dazu kommt, will das Statistische Bundesamt am Donnerstag bekanntgeben.
Das gute Abschneiden im September täuscht aber nicht über die anhaltende Schwäche der deutschen Exportwirtschaft hinweg. Nach den ersten neun Monaten 2019 steht ein vergleichsweise mageres Umsatzplus von 0,9 Prozent zu Buche. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet für heuer insgesamt nur mit einem Mini-Wachstum von 0,3 Prozent. 2020 sollen die Ausfuhren sogar um 0,5 Prozent schrumpfen. In normalen Zeiten kommt Deutschland dem DIHK zufolge auf ein durchschnittliches Exportwachstum von 5,5 Prozent.
Konflikte belasten Export
"Die außenwirtschaftlichen Bremsklötze sind weiterhin noch nicht aus dem Weg geräumt", sagte Ökonom Bastian Hepperle vom Bankhaus Lampe. "Unternehmen dürften unverändert eher Zurückhaltung wahren, was einer nun durchgreifenden Konjunkturbelebung entgegensteht." Der DIHK sieht ebenfalls keinerlei Grund zur Euphorie. "Der weltweit zunehmende Protektionismus und eine schwächelnde Weltwirtschaft belasten weiterhin die exportstarke deutsche Wirtschaft", sagte sein Außenhandelsexperte Kevin Heidenreich. "Die US-Handelskonflikte mit Europa und China sowie der weiterhin unklare Brexit verunsichern weltweit die Unternehmen, die dann Investitionen zurückhalten."
Wie schwierig das Geschäft bleibt, zeigt ein Blick nach China: Der Exportweltmeister musste im Oktober den dritten Monat in Folge einen Rückgang der Ausfuhren verkraften, auch wenn dieser mit 0,9 Prozent weit weniger stark ausfiel als erwartet.
Die deutschen Importe legten im September um 1,3 Prozent zu und damit den zweiten Monat in Folge. Das spricht für eine robuste Binnennachfrage, die sich auf Rekordbeschäftigung, steigende Löhne und niedrige Inflation stützt.