Der 9. Oktober 2005 markiert die Wende in der Bawag. An jenem Sonntag (!) gewährte die Bank, damals im Eigentum des ÖGB, dem US-Broker Refco einen Blitzkredit über 350 Millionen Euro. Das Geld sah die Bank nie wieder. Denn Refco war zum Zeitpunkt der Überweisung bereits pleite, nur wusste die Bawag davon noch nichts. Obwohl Refco-Chef Phillip Bennett zwei Tage zuvor aus der Firmenzentrale ausgesperrt worden war. Er hatte faule Kredite verschleiert und wurde 2008 zu einer 16-jährigen Haftstrafe wegen Bilanzbetrugs verurteilt.
In Österreich mahlen die Mühlen der Justiz langsamer. 14 Jahre nach dem Krimi beginnt heute in Wiener Neustadt der Strafprozess gegen vier ehemalige Manager der Bawag. Johann Zwettler, Peter Nakowitz, Christian Büttner und einem weiteren Beschuldigten werden schwerer Betrug und Untreue vorgeworfen; es gilt die Unschuldsvermutung.
1,4 Milliarden Euro verspekuliert
Darüber hinaus sollen die Angeklagten bereits 2004 Beihilfe zum Betrug von Refco-Chef Bennett geleistet haben, indem die Bawag die Vermögenslage von Refco geschönt habe und so der damalige Refco-Käufer, das New Yorker Investmenthaus Thomas H. Lee Partners, über die wahre Finanzlage des US-Unternehmens getäuscht worden sei.
Eine Wende war das Refco-Debakel für die Bawag vor allem deshalb, da im Zuge der Ermittlungen erst das viel größere Schlamassel aufgedeckt wurde. Denn Refco diente dem Spekulanten Wolfgang Flöttl als Broker, und so kam ans Tageslicht, dass Flöttl Gelder der Bawag in Steueroasen veranlagt hatte und auf diese Weise Ende 2000 1,4 Milliarden Euro verloren gegangen waren.
Politisches Erdbeben
Nachdem der ÖGB als Eigentümer die Haftung für den Verlust übernommen hatte und selbigen verschleiern wollte, wurde die Bawag zum Politikum. Gewerkschaftschef Fritz Verzetnitsch trat zurück. Die Rettung der Bawag – die schwarzblaue Regierung gewährte eine Bundeshaftung, just am 1. Mai 2006 – geriet zur Demütigung für die rote Reichshälfte. Die Bawag wurde in der Folge an den US-Fonds Cerberus verkauft und ist seit 2017 an der Börse.
Hauptangeklagter nicht verhandlungsfähig
Die Strafprozesse zogen sich sechs Jahre hin, Flöttl kam frei, Ex-Bawag-Chef Elsner wurde verurteilt. Auch Nakowitz und Zwettler, Boss der Bawag von 2002 bis 2005, saßen bereits in diesem ersten Bawag-Prozess auf der Anklagebank. Zwettler trat seine Haftstrafe aus gesundheitlichen Gründen nie an. Im heute beginnenden Bawag/Refco-Prozess ist er der Hauptangeklagte, der 78-Jährige gilt aber als nicht verhandlungsfähig.
In Wiener Neustadt drohen den Angeklagten bis zu zehn Jahre Haft. Der Verhandlungsort wurde aus Gründen der Befangenheit so gewählt, einer der Beschuldigten ist mit einer Wirtschaftsstaatsanwältin aus Wien verheiratet.