Für die letzte Zinssitzung des scheidenden EZB-Präsidenten Mario Draghi erwarten Fachleute keine neuen Weichenstellungen. Der geldpolitische Rat wird seine Beschlüsse nach seiner zweitägigen Sitzung heute, Donnerstag, verkünden. Es wird mit einer Bestätigung des extrem lockeren geldpolitischen Kurses gerechnet.
Die EZB hatte ihre Geldpolitik auf ihrer vorherigen Sitzung Mitte September abermals deutlich gelockert. Sie beschloss nicht nur eine weitere Zinssenkung, sondern auch eine Wiederauflage ihrer milliardenschweren Anleihekäufe. Während die Zinsentscheidung im 25-köpfigen Rat weitgehend unstrittig gewesen sein soll, trafen die Wertpapierkäufe auf großen Widerstand. Zahlreiche Zentralbanker, darunter die Notenbankchefs aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Österreich, hatten sich auch im Nachgang gegen die neuerlichen Käufe ausgesprochen.
Von einigen Fachleuten wird moniert, Draghi habe in dem ihm nachgesagten Stil wenig Rücksicht auf abweichende Meinungen genommen und das Lockerungspaket im Rat "durchgedrückt". Es wird erwartet, dass diese Kritik auch Thema auf Draghis letzter EZB-Pressekonferenz sein wird. "Wir gehen davon aus, dass Draghi ein starkes Plädoyer für das September-Paket vorbringt", vermutet Carsten Brzeski, Chefökonom für Deutschland bei der Bank ING. Möglicherweise gehe es ihm auch darum, das Erbe der unter ihm ergriffenen Maßnahmen zu bewahren.
Zu diesem Erbe gehören drei Worte, die bereits in die Geschichtsbücher Einzug erhalten haben: "Whatever it takes." Die fast schon sagenumwobene Rede Draghis, die er im Sommer 2012 vor der versammelten Londoner Finanzwelt hielt, gilt unter Fachleuten als wichtigste verbale Intervention eines Zentralbankers in der jüngeren Vergangenheit. "Ohne Draghi gäbe es den Euro vermutlich nicht mehr", bringt es Thomas Gitzel, Chefökonom der Liechtensteiner VP Bank, auf den Punkt. Seinerzeit stand der Euro vor dem Zusammenbruch - und Draghi rettete ihn mit der Zusicherung der EZB, nahezu alles zur Rettung des Euro zu tun.
Eine wichtige Einschränkung, die Draghi in seinem weltberühmten Satz übrigens gleich zweimal nannte, sorgte im Nachgang jedoch für heftigen Streit: Innerhalb ihres Mandats solle sich die EZB schon bewegen, schränkte Draghi damals ein. Ob sich das wenig später gestartete (und niemals aktivierte) Anleihekaufprogramm OMT im Rahmen des EZB-Mandats bewegte, ist nach wie vor ebenso umstritten wie die Frage, ob das Wertpapierkaufprogramm APP zulässig ist. Über das APP erwarb die EZB zur Konjunkturstützung Wertpapiere im Wert von mehr als zwei Billionen Euro.
Kritik musste Draghi auch einstecken, weil er mit seinem jüngsten Lockerungspaket kurz vor Ende seiner Amtszeit einen guten Stück des Weges seiner Nachfolgerin Christine Lagarde vorgezeichnet hat. Auch deshalb sind zusätzliche Maßnahmen auf Draghis letzter Ratssitzung nicht zu erwarten. Die Entschlossenheit der EZB, notfalls auch künftig zu handeln, werde Draghi dennoch unterstreichen, meint ING-Deutschland-Chefökonom Carsten Brzeski. Ein Gutteil der Sitzung werde jedoch rückwärtsgewandt mit Blick auf Draghis Amtszeit ablaufen. Und hier sei wegen der Kritik an Draghis Führungsstil eben nicht nur Partystimmung zu erwarten.