Die Gewerkschaft lässt im Vorfeld der nächsten Dienstag startenden KV-Verhandlungen für die rund 413.000 Angestellten und 15.000 Lehrlinge im Handel mit einer kräftigen Gehaltsforderung aufhorchen. Die Arbeitnehmer fordern 100 Euro Entgelterhöhung für alle auf Vollzeitbasis, das wäre ein durchschnittliches Plus von 4,4 Prozent. Zum Vergleich: Die Metaller fordern aktuell plus 4,5 Prozent.
Das von der Gewerkschaft geforderte Gehaltsplus für Handelsangestellte würde von 6,1 Prozent für niedrige Einkommen bis 2,1 Prozent für hohe Gehälter reichen. Stark gestiegene Mieten und Lebenserhaltungskosten würden eine derartige Erhöhung rechtfertigen, sagte der gewerkschaftliche Verhandler Martin Müllauer bei einem Hintergrundgespräch vor Journalisten. Müllauer ist Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Handel in der GPA-djp und Betriebsratsvorsitzender der Morawa Buch- und Medien GmbH.
"Überzogen und realitätsfremd"
Die Arbeitgeberseite fordert im Vorfeld der KV-Verhandlungen im Handel mehr Augenmaß. Die Forderungen der Gewerkschaft seien "überzogen und realitätsfremd", so der Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer und Arbeitgeber-Chefverhandler Peter Buchmüller. Er ist zudem "irritiert über die Vorgangsweise der GPA-djp".
Vor dem offiziellen Auftakt der KV-Verhandlungen monetäre Forderungen über die Medien auszurichten, sei unüblich, so Buchmüller am Freitag in einer Pressemitteilung.
Schwache Konsumstimmung
In dasselbe Horn stößt der Handelsverband: "Der österreichische Handel hat zurzeit mit einem starken Rückgang der Verbraucherstimmung und einer schwachen Konjunkturentwicklung zu kämpfen. In dieser schwierigen wirtschaftlichen Phase ein Gehaltsplus von 4,4 Prozent zu fordern, ist aus unserer Sicht schlicht realitätsfremd", weist HV-Präsident Stephan Mayer-Heinisch die Forderung zurück.
Zum Argument der gestiegenen Mieten und Lebenshaltungskosten sagt HV-Geschäftsführer Rainer Will: "Die Lösung kann nicht sein, die Gehälter im Handel analog zur Entwicklung der Mietpreise in Wien zu steigern. Hier sind völlig andere Lösungen auf politischer Ebene erforderlich."
"Konsum stärken"
Knapp zwei Drittel der Angestellten im Handel in Österreich sind Frauen, im Einzelhandel liegt der Frauenanteil noch etwas höher. Viele Frauen arbeiten Teilzeit. Ein kräftiges Gehaltsplus für die Angestellten würde "den Konsum stärken und einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität zu leisten", so Müllauer. Außerdem fordert die Gewerkschaft im Rahmen der KV-Verhandlungen drei Freizeittage. Dies sei notwendig, "um den Handelsangestellten die notwendige Zeit zur Erholung zu sichern, die sie wegen dem zunehmenden Stress und dem hohen Arbeitsdruck" brauchen, so der Gewerkschafter.
Für die Gewerkschafts-Chefverhandlerin und Wirtschaftsbereichssekretärin der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-DJP), Anita Palkovich, steht die Handelsbranche gut da. Die Gewinnausschüttungen der Unternehmen hätten 2018 deutlich zugelegt, die Firmen würde über eine solide Eigenkapitalausstattung verfügen und der Umsatz sowie die Produktivität pro Beschäftigten steigen. Palkovich verwies auf einen AK-Branchenreport für das Jahr 2018 bei dem 210 Handelsunternehmen mit knapp 125.00 Arbeitnehmern untersucht wurden.
Die wirtschaftliche Lage der Händler würde nach Ansicht der Gewerkschaft ein kräftiges Gehaltsplus erlauben. "Die Angestellten und Lehrlinge im Handel sind die Leistungsträger der Umsatz- und Gewinnentwicklung. Eine kräftige Gehaltserhöhung auch im heurigen Jahr ist gerechtfertigt und leistbar", so Palkovich.
"Es braucht mehr Augenmaß und Realitätssinn"
Für die Arbeitgeberseite gehen die Forderung der Gewerkschaft nach 100 Euro mehr für alle Handelsangestellten sowie nach drei zusätzlichen freien Tagen "an der wirtschaftlichen Situation im österreichischen Handel komplett vorbei. Da braucht es mehr Augenmaß und Realitätssinn", so Buchmüller. "Wir, die Arbeitgeberseite, hoffen auf ernsthafte, lösungsorientierte Gespräche. Dafür stehen wir, das fordern wir aber auch von unseren Verhandlungspartnern ein."
Dem sozialpartnerschaftlichen Spirit widerspreche auch ein weiteres, für die Bundessparte Handel nicht nachvollziehbares Vorgehen: "Gemeinsam haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Handel eine Reform der Öffnungszeiten-Zuschläge mit der Zielsetzung einer Vereinfachung vereinbart und dieses auch gemeinsam ausgearbeitet. Das Paket war fertig. Die Gewerkschaft hat es aber buchstäblich in letzter Minute gekippt", so Buchmüller. Dieses Vorgehen werfe die Frage auf, ob die Vertreter der Arbeitnehmer tatsächlich an einer Verbesserung und Vereinfachung des Handels-Kollektivvertrages interessiert seien.
Im vergangen Dezember hatten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach fünf Verhandlungsrunden für 2019 auf ein Gehaltsplus zwischen 2,5 Prozent und 3,2 Prozent geeinigt.