Beim Gütertransport ist die Straße der Schiene um viele Meilen voraus. Oder wie Günter Petschnig und Martin Joch behaupten – um Jahrzehnte. Ihre Erklärung, warum das so ist, lautet: „Der Güterverkehr mit der Bahn befindet sich auf dem Entwicklungsstand der 1970er Jahre. Die Digitalisierung steht erst am Anfang.“
Aus dem Defizit der Schiene heraus entstand das Geschäftsmodell für Petschnig und Joch. 2006 gründeten sie als Spin-off der TU Graz das Unternehmen PJ Monitoring (PJM), das heute 60 Mitarbeiter beschäftigt, 8,5 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet und mit dem Fast Forward Award für den Waggontracker geehrt wurde. Schnell vorwärts: in dem Zusammenhang das passende Stichwort. Dazu etwas später.
Den Waggontracker baut PJM seit drei Jahren in Graz in Serie und liefert ihn direkt an die Fertigungsstraßen der großen Güterwagenhersteller in Europa, um ihn dort von eigenen Spezialisten installieren zu lassen. Mehr als 3000 der Systeme aus Graz sind bis dato in das rollende Material integriert, doch fahren etwa 800.000 Güterwagen im europäischen Bahnnetz – es gibt also noch sehr viel zu tun.
Ortung via GPS
Allein die Grundfunktion der Waggontracker – die Ortung via GPS – zeigt, wie viel die Bahn im Vergleich zur Straße aufholen muss. Dass man weiß, wo sich ein Güterwaggon bei europaweiten Transporten befindet, wurde erst mit der Entwicklung durch PJM Stand der Technik.
„Schickt man einen Waggon von Koper nach Ungarn oder Tschechien, sind mehrere Bahnen mit der Traktion der Züge beschäftigt, die jedoch alle unterschiedliche Systeme haben. Niemand stellt die Daten zentral zur Verfügung. Dieses grundlegende Service bringen wir auf die Bahn“, sagt Joch.
Dafür baut PJM zuerst einen kleinen Achslagergenerator in den Güterwagen ein, erzeugt Strom und stellt ein Bordnetz für das GPS und den Mobilfunk her, der die Daten in Echtzeit auf die Server von PJM und des Bahnbetreibers sendet.
Laufleistung und Wartung
„Das ist der erste, wichtige Schritt“, erklärt Joch. Eine weitere Funktionalität ist, dass der Generator auch die Raddrehzahl liefert und damit gleich einem Kilometerzähler die Laufleistung der Wagen dokumentiert. Nützlich ist das für die Festlegung der Wartungsintervalle. Sie erfolgen in der Regel alle vier bis sechs Jahre, unabhängig davon, ob ein Waggon viel fährt oder steht.
Ergänzend kann der Waggontracker mit einem eingebauten Wiegesystemdie Beladung automatisch überwachen. Bis dato ist der Verladeprozess kosten- und zeitintensiv. Holz etwa habe „die Eigenschaft, dass man nie weiß, wie schwer es ist, weil es nass oder trocken ist“. Mit dem Wiegesystem sehe der Belader, ob der Waggon noch Kapazität habe oder schon überladen sei, so Joch.
Viel Handarbeit
„Damit erhöhen wir Effizienz und Sicherheit. Das System erkennt auch asymmetrische Beladungen, die im schlimmsten Fall zu Entgleisungen führen können.“
Im Bahngüterverkehr wird noch viel per Hand gemacht, die Automatisierung dieser Arbeit sei jedoch dringend nötig, meint Joch. „Man findet heute niemanden mehr, der diese Arbeit machen will. Durch die Automatisierung gehen Arbeitsplätze nicht verloren, sondern es entstehen neue, höherwertige Jobs für Techniker unterschiedlicher Disziplinen.“
Ein Beispiel ist die Bremsprobe bei Güterzügen, die im Gegensatz zu Personenzügen nach wie vor von Hand gemacht wird und bei einer 600 Meter langen Garnitur bis zu 60 Minuten dauern kann. PJM hat diesen Prozess mit dem Waggontracker automatisiert. Erste Kleinserien dieser Funktion sind bei der ÖBB-Tochter Rail Cargo und der Schweizer Bahn im Einsatz.