Die Ausweitung der expansiven Geldpolitik durch die EZB sei möglicherweise ein Fehler, so der neue Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank und EZB-Rat, Robert Holzmann. "Das ist mir definitiv durch den Kopf gegangen", sagte Holzmann in einem Videointerview mit der Finanzagentur Bloomberg. Auch andere EZB-Ratsmitglieder hätten ähnlich gedacht.
Laut Medienberichten ist die Mehrheit für eine Wiederbelebung der Anleihenkäufe relativ knapp gewesen. Der Deutsche-Bundesbank-Chef Jens Weidmann, Frankreichs Notenbank-Gouverneur Francois Villeroy de Galhau sowie auch EZB-Direktor Benoit Coeure seien dagegen gewesen. Auch die Vertreter der Notenbanken der Niederlande, Österreichs und Estlands hätten sich auf die Seite der Abweichler gestellt. Holzmann beschrieb die Diskussion unter den Notenbankern als "sehr intensiv, aber sehr konstruktiv".
"Es ist nicht nachhaltig"
Die EZB beschloss auf dem gestrigen Zinstreffen in Frankfurt, ihre Anleihenkäufe wieder aufzunehmen, die bis zu ihrer Einstellung Ende Dezember 2018 ein Volumen von 2,6 Billionen Euro erreicht hatten. Ab November sollen pro Monat nun neue Zukäufe im Umfang von 20 Mrd. Euro hinzukommen. Außerdem wurde der sogenannte Einlagensatz auf minus 0,5 Prozent von bisher minus 0,4 Prozent gesenkt. Ein Minuszeichen beim Einlagenzins bedeutet, dass die Institute Zinsen zahlen müssen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken. "Einige Mitglieder des Rates hätten die Überlegungen geäußert, dass ein Weitergehen im negativen Bereich nicht der richtige Weg ist", kommentierte Holzmann die aktuellen EZB-Maßnahmen. "Es ist nicht nachhaltig."
An der EZB-Spitze steht ein Führungswechsel an. Die ehemalige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) und frühere französische Finanzministerin Lagarde wird ab November das Amt von EZB-Chef Mario Draghi übernehmen. Holzmann glaubt nicht, dass Lagarde die ultralockere Geldpolitik von Draghi für viele weitere Jahre fortsetzen wird. "Dinge können sich ändern - auch die Forward Guidance und die Policy können sich ändern - nicht morgen, nicht übermorgen, aber ich glaube nicht, dass sie für die nächsten Jahrzehnte da sind", sagte Holzmann gegenüber Bloomberg. Lagarde sei "nicht eine schwache Person", die sich geldpolitisch "auf die eine oder andere Weise einsperren lasse".