Ferdinand Piëch, ehemaliger Vorstands- und Aufsichtsratschef des Volkswagen-Konzerns, ist Presseberichten zufolge tot. Piëch sei am Sonntagabend in einer Klinik im bayerischen Rosenheim im Alter von 82 Jahren gestorben, berichtete die "Bild" am Montagabend. Unter Berufung auf die Familie des langjährigen Firmenpatriarchen vermeldete kurz darauf auch das "Handelsblatt" den Tod Piëchs.
Ein Konzernsprecher wollte die Berichte zunächst nicht kommentieren. Laut "Bild" war der Österreicher Piëch zu einer Veranstaltung nach Oberbayern gereist. Demnach kollabierte er in einem Rosenheimer Restaurant vor den Augen seiner Ehefrau Ursula Piëch. Rettungskräfte seien herbeigerufen und Piëch sofort in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Dort sei der 82-Jährige gestorben.
Piëch galt als Patriarch des Wolfsburger Weltkonzerns. In seiner Zeit als Vorstandschef bis 2002 formte Piëch VW zum Multimarken-Konzern. Im Frühjahr 2015 hatte er in einem Machtkampf bei Volkswagen seinen Rücktritt als Aufsichtsratschef erklärt. Kurz zuvor hatte er hatte Konzernchef Martin Winterkorn öffentlich das Vertrauen entzogen und erklärt, er sei auf "Distanz" zum VW-Chef. Unter dem Dach von Volkswagen sind Marken wie VW, Audi, Seat, Bugatti, Lamborghini und Porsche vereint.
Über Privatstiftung beteiligt
Ferdinand Piech war zuletzt noch über eine Privatstiftung mittelbar an der Porsche SE (PSE) beteiligt. Der langjährige Vorstands- und Aufsichtsratschef von VW hatte Anfang April 2017 mitteilen lassen, seinen knapp 15-prozentigen Anteil an der Holding verkaufen zu wollen. Piech hatte sich Anfang 2015 mit seinem Cousin Wolfgang Porsche, dem Sprecher der Porsche-Familie, im Streit über Ex-VW-Chef Martin Winterkorn überworfen.
Porsche verhinderte damals mit anderen Aufsichtsräten, dass Piech Winterkorn abservierte. Piech und seine Frau Ursula verließen deshalb den VW-Aufsichtsrat. Im Dieselskandal bei VW schwärzte Piech Porsche und andere VW-Aufsichtsratsmitglieder nach Medienberichten bei der Staatsanwaltschaft an, schon im Frühjahr und damit rund ein halbes Jahr vor dem offiziellen Bekenntnis über die Abgasmanipulation in den USA Bescheid gewusst zu haben. Die Aufsichtsräte wiesen das zurück.
Nach früheren Angaben hat Piechs jüngerer Bruder Hans Michel den Anteil an der PSE übernommen. Er ist jetzt die Führungsperson für den Piech-Teil der Eignerfamilie, die gut 52 Prozent des Wolfsburger Konzerns besitzt.
Er schrieb Wirtschaftsgeschichte
Er war der VW-Patriarch. Und er gilt als Jahrhundert-Manager. Der gebürtige Österreicher Ferdinand Piëch schrieb Wirtschaftsgeschichte und war eine der schillerndsten Figuren der deutschen Industrie. Lange wachte er fast unangefochten über das VW-Reich.
Volkswagen und Ferdinand Piëch - lange galt dieses Gespann als eine Einheit. Sein erstes Erlebnis als Autofahrer aber brachte ihm Ärger: Mit neun Jahren blieb er bei seiner Jungfernfahrt mit der Stoßstange an der Garagentür hängen. Jahrzehnte später sollte der kleine Bub von damals als einer der mächtigsten Industriemanager der Welt ein Autoimperium lenken.
Piëch formte aus Volkswagen einen Weltkonzern
Piëch formte aus Volkswagen einen Weltkonzern. Lange Zeit war Volkswagen ohne Piëch schwer vorstellbar, Jahrzehntelang war er eine dominante Figur in der Autobranche. Sein autoritärer Führungsstil war gefürchtet. "Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt", schrieb er in seiner Autobiografie von 2003. Kaum dürfte er damit gerechnet haben, den Machtkampf 2015 mit seinem langjährigen engen Vertrauten Winterkorn zu verlieren. Doch mit Hilfe einer Allianz aus dem Land Niedersachsen und dem mächtigen Betriebsrat setzte sich der Jüngere durch.
Piëch, am 17. April 1937 geborener Enkel des legendären Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche, trat als Aufsichtsratschef zurück, danach tauchte er nur noch selten in der Öffentlichkeit auf. Der Österreicher zog sich zurück auf seine Residenz in Salzburg. Was ihm zunächst blieb, war das Aufsichtsratsmandat beim Volkswagen-Haupteigner Porsche SE - die Familien Porsche und Piëch halten 100 Prozent der Stimmrechte an der Firma. 14,7 Prozent davon gehörten zu dem Zeitpunkt Piëch. 2017 bot er seinen Verwandten den Großteil des Aktienpakets an, die griffen zu. Man könne sich Familie nicht aussuchen, kommentierte sein Cousin Wolfgang Porsche damals.
Strippenzieher und Königsmacher
Zuvor stand Ferdinand Karl Piëch, so sein voller Name, für viele Jahre mitten im Machtzentrum des VW-Konzerns. Der frühere Audi-Chef war von 1993 bis 2002 Vorstandsvorsitzender von Volkswagen und führte danach lange Zeit den Aufsichtsrat - als maßgeblicher Protagonist der Familien Porsche und Piëch, der VW-Großaktionäre. Seine Macht schien unbegrenzt, 2012 hievte er sogar seine Frau Ursula - genannt Uschi - in den VW-Aufsichtsrat. Er galt als Strippenzieher und Königsmacher hinter den Kulissen. Als der frühere Vorstandschef Bernd Pischetsrieder 2006 gehen musste, soll Piëch seinen Einfluss ausgeübt haben.
Der detailverliebte Autonarr Piëch lenkte das immer größer werdende VW-Imperium schließlich zusammen mit Winterkorn mit strenger Hand, hierarchisch und zentralistisch - der "Spiegel" beschrieb die Atmosphäre bei Volkswagen unter dem Duo einmal als "Nordkorea minus Arbeitslager".
Nach der Ära der Alpha-Manager Piëch und Winterkorn - und vor allem nach dem einschneidenden Abgasskandal - blieb bei Volkswagen kaum ein Stein auf dem anderen. Ein "Kulturwandel" wurde von Winterkorns Nachfolger Matthias Müller ausgerufen: Weniger Zentralismus, mehr Verantwortung für die einzelnen Manager, mehr interne Kritik waren die Ziele. Die Mitarbeiter sollten nicht mehr zittern vor einem Patriarchen wie Piëch, der in Wolfsburg auch "der Alte" genannt wurde - oder von einem Kleinaktionär einmal "Göttervater".
Dabei war er in einer schweren Krise nach Wolfsburg gekommen, Massenentlassungen drohten. Das verhinderte der von Piëch eingestellte Personalvorstand Peter Hartz zusammen mit Betriebsrat und Gewerkschaft - dank der Einführung der Vier-Tage-Woche, die erst Ende 2006 gekippt wurde. Der gebürtige Österreicher Piëch war aber nicht nur Manager - der technikversessene Maschinenbauer konnte auch einen Motor zusammenschrauben. Privat segelte er gerne, beschäftigte sich mit fernöstlicher Kultur und japanischer Ethik.
Schon zu Lebzeiten gab es viele Superlative für den VW-Patriarchen. "Ferdinand Piëch hat die Automobilbranche geprägt wie kein Zweiter", sagte beispielsweise Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) einmal. Der entgegnete, Autobauen sei nur sein Hobby.
Was blieb vom autoverliebten "Alten"? Sein Nach-Nachfolger als VW-Aufsichtsratschef, Hans Dieter Pötsch, drückte es einmal diplomatisch aus: Er betonte seinen großen Respekt vor Piëch - "trotz der ein oder anderen atmosphärischen Eintrübung zuletzt". Und weiter: "Ich persönlich denke, dass Herr Ferdinand Piëch unvergessene Meilensteine gesetzt hat im Automobilbau und dass er an der Existenz des Volkswagen-Konzerns, wie er sich heute präsentiert, maßgeblichen Anteil hat." Piëchs Leistungen würden unabhängig von anderen Themen "absolut unvergessen bleiben".
2017 dann die Zäsur: Piëch verkaufte ein milliardenschweres Aktienpaket, der frühere VW-Konzernlenker trennte sich von einem Großteil seiner Anteile an der VW-Dachgesellschaft Porsche SE - diese gingen an Verwandte. Die Dynastie Porsche-Piëch hat auch nach dem Tod des Ex-Patriarchen weiter das Sagen.