Dramatische Appelle, harsche Kritik – auch aus den eigenen Reihen –, das alles schien nicht zu helfen. Die Bundes-ÖVP blieb hart und hat den einstigen türkis-blauen Regierungskurs nicht verlassen. Bis jetzt. Nachdem vor einigen Tagen bereits Ex-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck eine „Neubeurteilung“ in der Frage, ob Asylwerber bei einem negativen Asylbescheid ihre Lehre in Österreich abschließen dürfen, angeregt hatte, überraschte nun Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz mit einem entsprechenden Vorschlag. Gemeinsam mit Schramböck schlage er vor, „dass der Asylbescheid bei etwa 900 Altfällen erst nach dem Ende der Lehrausbildung ausgestellt bzw. vollzogen wird“. Er spricht von einer „pragmatischen Lösung“. Mit „Altfällen“ sind jene rund 900 jungen Asylwerber gemeint, die derzeit eine Lehre in Österreich absolvieren.
Zur Erinnerung: Ab 2012 war es in Österreich per Erlass für Asylwerber unter 25 Jahren möglich, eine Lehre in einem vordefinierten Mangelberuf zu absolvieren. Dieser Erlass wurde von der türkis-blauen Regierung gestrichen. Und nicht nur das: Bei einem negativen Asylbescheid darf die Ausbildung auch nicht mehr beendet werden. In diesem Punkt soll die harte Linie nun also aufgeweicht werden. In der Vorwoche hatte SPÖ-Sozialsprecher und Baugewerkschafter Josef Muchitsch im Gespräch mit der Kleinen Zeitung an alle Fraktionen im Nationalrat appelliert, noch vor der Nationalratswahl einen „möglichst gemeinsam eingebrachten Antrag der Vernunft“ zu unterstützen.
Erlass könnte genügen
Wird es also noch im September zu einer Umsetzung kommen? Das scheint dennoch nicht sicher. „Da wir nur Altfälle abarbeiten wollen, ist auch nur ein Erlass des Innenministeriums und keine Gesetzesänderung notwendig. Den neuen Erlass soll eine neue Regierung in Angriff nehmen“, heißt es auf Anfrage seitens der Bundes-ÖVP. Der Ex-Koalitionspartner FPÖ hat mit dem Vorschlag keine Freude, Klubobmann Herbert Kickl sieht dadurch „Asylmissbrauch Tür und Tor geöffnet“.
Kurt Egger, Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbundes, der den Kurz-Vorstoß begrüßt, geht von einer „raschen Umsetzung aus“, schließlich sei Planungssicherheit für die Unternehmen entscheidend.
Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer, der den Kurs der Bundesregierung in dieser Frage stets kritisiert hatte, zeigt sich erfreut. Er habe stets „auf eine Regelung mit Hausverstand“ gepocht. Wie auch Egger streicht Stelzer den Fachkräftemangel in vielen Betrieben hervor. Asylrecht und Arbeitsmarktpolitik dürfe man dennoch nicht vermischen, er fordert von der nächsten Regierung Maßnahmen zu einer gezielteren Migrationspolitik für Fachkräfte. Egger regt für die Frage der Weiterbeschäftigung einmal mehr eine „Neuregelung der Rot-Weiß-Rot-Karte“ an.
Kritik der Neos
Rudi Anschober, grüner Landesrat in Oberösterreich und Initiator einer eigenen Plattform in dieser Causa, betont: „Jetzt muss die Politik aber von Ankündigungen zu Taten kommen – und zwar rasch, denn die Zeit drängt“, die Abschiebung von vielen der fast 900 Asylwerber in Lehre würde schließlich unmittelbar bevorstehen.
Als „praxis- und realitätsfremd“ bezeichnet Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn den Kurz-Vorschlag. „Es ist mir schleierhaft, was damit bezweckt werden sollte. Steht dann die Polizei vor der Tür und schiebt zwei Tage nach ausgezeichneter Lehrabschlussprüfung den Lehrling ab?“ Der Neos-Vorschlag zur Neuregelung: „Unser 3+2-Modell gibt Asylwerbenden, die bereits in Ausbildung sind, die Möglichkeit, ihre Ausbildung abzuschließen. Danach dürfen sie noch zwei Jahre in Österreich bleiben. Im Anschluss können sie eine Rot-Weiß-Rot-Karte beantragen.“