Allein im Juni schrumpften die deutschen Exporte binnen Jahresfrist um 8 Prozent und damit so stark wie seit Mitte 2016 nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt von Österreichs Nachbarn am Freitag mitteilte. Nach dem ersten Halbjahr steht nur noch ein Wachstum von 0,5 Prozent zu Buche.
"Für das Gesamtjahr zerbröseln die Hoffnungen auf ein zumindest mageres Exportplus", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. "Wenn wir mit einer schwachen Null - und somit mit dem schlechtesten Ergebnis seit der Finanzkrise - aus dem Jahr gehen würden, wäre das angesichts der konflikt- und krisenbeladenen Weltwirtschaft schon ein Erfolg."
Vor allem der Zollstreit zwischen China und den USA sowie das befürchtete Brexit-Chaos ohne Abkommen sorgen für Unsicherheit im Welthandel. "Deutschland steht im Sommer 2019 an der Grenze zwischen Stagnation und Rezession", sagte KfW-Ökonom Klaus Borger. Das Statistikamt veröffentlicht am Mittwoch Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) für April bis Juni. Von Reuters befragte Ökonomen erwarten ein Minus von 0,1 Prozent.
"In allen Regionen rückläufig"
Der Exportverband BGA hat jüngst seine Prognose halbiert und rechnet für 2019 nur noch mit einem Ausfuhrenplus von 1,5 Prozent. "Die weltweiten politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen zeigen jetzt ihre Auswirkung", erklärte BGA-Präsident Holger Bingmann. "In allen Regionen war das Geschäft zuletzt rückläufig." Die Unternehmen könnten die vielen Risiken kaum noch abfedern. "Die Nervosität ist überall greifbar."
Deutsche Großkonzerne bekommen Konjunkturflaute und Zollstreit längst zu spüren. Beim Industrieriesen Siemens stottert der Motor vor allem im Geschäft mit Autokonzernen und Maschinenbauern, und die Margen der Münchner werden dünner. Auch der Chemiekonzern BASF stellt sich auf schwierige Zeiten ein. "Das wirtschaftliche Umfeld ist geprägt von hoher Unsicherheit", sagte Vorstandschef Martin Brudermüller jüngst bei der Vorlage der Quartalszahlen.
Für Ernüchterung sorgt insbesondere der eskalierende Handelsstreit zwischen USA und China. "Eine Besserung der Lage zeichnet sich derzeit nicht ab", mahnte Hauptgeschäftsführer Joachim Lang vom Industrieverband BDI. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet sogar mit einem "Handelskrieg als Dauerzustand", der die kommenden Jahrzehnte prägen könnte. "China will aufsteigen, und die USA wollen das verhindern - dieser Konflikt ist schwer lösbar."
Wegen der schwächeren Konjunktur in China dürfte die Wirtschaft im Euroraum 2020 nur noch um 0,7 (bisherige Prognose: 1,1) Prozent wachsen und in Deutschland nur um 0,8 (bisher: 1,3) Prozent zulegen, sagte Krämer. Für 2019 erwartet die Commerzbank einen BIP-Anstieg um 0,4 Prozent.
Vielseitige Auswirkungen des Handelsstreits
Der Handelsstreit zwischen den beiden weltgrößten Wirtschaftsmächten trifft verstärkt auch andere Länder. So fallen allein für die EU zusätzliche Zollkosten über rund eine Milliarde Dollar an, wie aus einer Analyse des Kieler IfW-Instituts hervorgeht. "Indirekte Effekte des Handelskriegs entstehen vor allem, weil mit Importzöllen belegte Produkte in den USA beziehungsweise China als Vorprodukte weiterverarbeitet werden." Dann würden sie in dritte Länder exportiert, wo die Zölle sich in verteuerten Produkten niederschlügen. Dies treffe vor allem auch Kanada und Mexiko. "Drittländer können es sich nicht leisten, als scheinbar Unbeteiligte dem Zollkrieg nur vom Seitenrand aus zuzuschauen", unterstrich IfW-Fachmann Holger Görg.
Die deutschen Exporte schrumpften im Juni auch zum Vormonat - und zwar um 0,1 Prozent. Der Rückgang zum Vorjahresmonat von acht Prozent gehe auf einen statistischen Effekt und auf das schwierige konjunkturelle Umfeld zurück, sagte ein Statistiker.