Kam es auch für Sie 2018 überraschend, Hofer-Generaldirektor zu werden?
HORST LEITNER: Ja. Auch wenn wir im Kopf hatten, lange in den USA zu bleiben, ist es fantastisch. Es gibt kaum eine spannendere Aufgaben in Zentraleuropa, als für diese fünf Länder verantwortlich zu sein. Mit unterschiedlichen Schwerpunkten: In Österreich sind wir als Vertriebsschiene Marktführer, in Ungarn, Slowenien und der Schweiz haben wir junge Organisationen mit viel Wachstumspotenzial. Und in Italien wachsen wir extrem stark. Da fühlen sich die Organisationen anders an.
Ihr Fokus gilt allen Ländern?
Von der Zeitaufteilung her ist es 50:50 zwischen Österreich und den anderen Ländern. Vor kurzem haben wir als Hofer SE-Gruppe die 1000. Filiale eröffnet. Schon heuer werden wir in den vier anderen Ländern mehr Filialen haben als in Österreich – das verändert aus den Fokus.
Wohin geht die – digitale - Reise im Lebensmittelhandel?
Da warten große Veränderungen auf uns. Wir denken aber oft dran, wie sich die Vertriebsschienen ändern werden, dabei kommt der viel größere Umbruch in den Prozessen. Die Digitalisierung ermöglicht uns ganz andere Lieferketten. Zum Glück hat der Onlinehandel die Lebensmittel nicht geknackt – selbst in den USA nicht. Alles, was mit Frische zu tun hat ist am widerstandsfähigsten gegen den Onlinehandel. Das muss sich in unserer Strategie abbilden.
Wie?
Wir haben ein Sortiment von 1400 Artikel und sind prädestiniert für die Frische, die uns unbeschränkte Möglichkeiten bietet. Wir sind da gut aufgestellt und sehen Möglichkeiten, das Frischesortiment in unseren Filialen zu erweitern.
Auf Kosten des Non-Food-Bereiches?
Letztendlich ja. Es geht auch darum, wie wir unsere Lieferkette neu ausrichten. Im Moment wird in jeder Filiale die Ware manuell bestellt. Ab dem nächsten Jahr wird Österreich dazu übergehen, dass der Einkauf automatisch von einem zentralen Team geschieht, das sich mit Forecasting beschäftigt. Das wird der Frische guttun, aber auch die Mitarbeiter in den Filialen können sich noch mehr den Kunden widmen.
Derzeit ist der Onlinehandel bei Hofer auf die Hauszustellung sperriger Güter begrenzt. Ändern Sie die Strategie?
Es ist vollkommen unklar, wo es hingehen wird. Vielleicht wird auch bei uns der Zeitpunkt kommen, wo auch der Onlinehandel von Lebensmitteln zu unserem Angebot gehören wird. Das ist noch einige Zeit weg in Österreich. Davor wird der Non-Food-Bereich betroffen sein. Dafür haben wir Konzepte in der Schublade, aber wir forcieren diese derzeit nicht.
Überlassen Sie die Innovationsführerschaft dem Mitbewerb?
Wird der Bedarf nach Onlinehandel bei den Kunden stärker, werden wir uns dafür engagieren. Jetzt wollen wir die Kunden bei uns in den Filialen haben.
Sie haben mehr als 500 Filialen in Österreich. Kann es da noch großes Wachstum geben?
Wir haben nicht vor, das noch sehr zu verdichten. Es wird immer ein bisschen Expansion geben, dort, wo sich neue Wohnsiedlungen oder Verkehrswege entwickeln. Was wir aber vorhaben, ist unser bestehendes Filialnetz in den kommenden fünf Jahren an das Frischekonzept anzupassen und diese massiv für die nächsten zehn bis 15 Jahre zu überarbeiten.
Frischekonzept heißt was?
Wir haben derzeit Tests in ganz Österreich laufen. Wir hoffen, dieses Konzept nächstes Jahr in einem größeren Test mit 20, 30 Filialen feinzutunen. Es wird erkennbar anders werden für die Kunden.
Der Marktanteil von Hofer stagniert bei etwas über 20 Prozent. Wie wollen Sie da noch etwas drauflegen?
Es macht keinen Sinn, irrsinnige Ressourcen einzusetzen, um vielleicht ein Prozent zu bewegen. Der Onlinehandel wäre ein möglicher Einfluss, wie sich Marktanteile noch einmal größer verschieben können – das sehe ich aber derzeit nicht.
Wo könnte die Digitalisierung noch Einzug halten bei Hofer?
In den USA wird viel mit Kundenkonten am Handy gearbeitet, um viel gezielter und bedarfsorientierter Kunden anzusprechen. In Europa sind die Sorgen über die Datenverwendung viel größer. Die Frage, wie stelle ich über diese Art eine engere Kundenbindung her, ist aber schon in meinem Kopf.
Aber Kundenkarte wird weiterhin keine geben?
Nein, weil es unser Prinzip ist, dass man keine Kundenkarte braucht, um die gleich guten Konditionen beim Einkauf zu bekommen. Das geben wir nicht auf.
Erfüllt Italien, gestartet wurde 2018, mit seinen derzeit etwas über 60 Filialen Ihre Erwartungen?
Bis Jahresende werden es 80 sein. Wir lernen jeden Tag dazu, was die Kunden betrifft. Der Fokus bleibt in den kommenden fünf bis zehn Jahren Norditalien.
Ihr Diskont-Mitbewerber Lidl engagierte sich früher im europäischen Ausland, war schneller als Hofer. Schmerzt das noch?
Nein. Wir schauen bei unserer Wachstumsstrategie nicht auf andere. Der Eindruck, den Sie haben, mag sich auf Europa beziehen, aber wir haben andere Märkte gewählt. Wir sind seit über 40 Jahren in den USA und nicht mehr weit von 2000 Märkten entfernt. Und wir sind seit 2000 in Australien und haben über 500 Filialen.
Jetzt rückt China ins Visier.
Wir haben vor Kurzem unsere ersten Testfilialen in China eröffnet. Wir sind mit einem Onlinehandel gestartet, um mehr über den Markt zu lernen. Asien ist für uns völlig neu. Wir werden zehn Filialen in naher Zukunft errichten und dann entscheiden, wie wir weitertun.
Hofer präsentiert sich gerne „grün“ – mehr als ein Marketingschmäh?
Das ist kein Grünschmäh, sondern Nachhaltigkeit ist eine Herzensangelegenheit. Bei 90 Prozent des Sortiments mit Exklusivmarken haben Sie wahnsinnig viel Einfluss auf die Produkte. Ein Beispiel: Wir haben vor, dass ab 2022 die Verpackungen unserer Exklusivmarken nur mehr aus recyclingfähigem Material sein werden, bis 2025 wollen wir das Verpackungsvolumen um 30 Prozent reduzieren.
Mit dem Hofer-Rap wollen Sie bei den Jungen punkten?
Der Hofer-Preis-Rap kommt bei unterschiedlichsten Zielgruppen gleichermaßen sehr gut an. Worum geht es? Der Wettbewerb zwischen den drei Großen gestaltet sich sehr stark über die Dimension „Preis“. Markenartikel werden heute mehrheitlich im Aktionszeitraum als zum Normalpreis verkauft. Unsere Stärke sind Dauertiefpreise in Verbindung mit bester Qualität – das herauszustellen ist das Ziel des Raps.
Wie müssen Sie Ihre Lieferanten auspressen, um mit günstigen Preisen werben zu können?
Niedrige Preise haben nie was mit dem schlimmen Runterverhandeln bei Einkaufspreisen zu tun. Wenn Sie einen Lieferanten ruinieren, fehlt er Ihnen. Die innovieren nicht mehr, wenn Sie Ihnen keine Luft lassen.
Wollen Sie sich neben Reisen und Telekom weitere neue Schienen vornehmen?
Wir konzentrieren uns auf unser Kerngeschäft. Hofer Telekom hat derzeit 850.000 Kunden und ist laut Aussagen unseres Partners das erfolgreichste Telekom-Start-up Europas der letzten 15 Jahre.
Vor 20, 30 Jahren hatte Hofer ein bescheidenes Image, das viele abhielt, den Diskontmarkt zu besuchen. Wie fühlt es sich an, in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein?
Selbst als ich in den 1990er-Jahren bei Hofer begonnen habe kaufte ich nur rund 20 Prozent der Lebensmittel bei Hofer ein – und heute fast alles. Neun von zehn Österreichern kaufen bei uns ein – kaum eine europäische Kette hatte einen ähnlich hohen Wert.