Zwei Wochen nachdem Nationalbankpräsident Ewald Nowotny am 1. September 2008 sein Amt angetreten hat, ist die US-Bank Lehman Brothers Pleite gegangen, was eine weltweite Finanzkrise ausgelöst hat. "Das war sicherlich die härteste Zeit" seiner Karriere, sagte Nowotny am Samstag "im Journal zu Gast". Der Umgang mit der Krise sei aber auch sein größter Erfolg gewesen.
Es habe zeitweise die Befürchtung gegeben, dass auch andere große Institute pleitegehen. "Das ist ja ein bisschen wie bei einer Atombombe, wenn eine Kettenreaktion begonnen hat, ist es sehr schwer sie zu stoppen", erinnerte sich Nowotny. Dass es doch nicht zu dieser Kettenreaktion kam, sei aber nicht Glück gewesen, sondern "ein sehr seltenes Beispiel, dass man aus der Geschichte lernen kann". Besonders hilfreich sei gewesen, dass das wissenschaftliche Spezialgebiet von US-Notenbankchef Ben Bernanke die Wirtschaftskrise von 1930 gewesen sei. Er habe daher 2008/09 "praktisch nur anwenden müssen, was er theoretisch schon entwickelt hatte".
Banken mit doppelt so viel Kapital
Europa und damit auch Österreich sei heute "sicherlich sicherer", unter anderem weil die Banken doppelt so viel Kapital haben wie damals und es deutlich mehr Regulierung gibt, "manchen vielleicht sogar ein bisserl zu viel". Es wäre aber "vermessen" zu sagen, dass man Krisen für alle Zukunft ausschließen kann, "weil ja Krisen auch an unerwarteten Stellen ausbrechen können".
Als größten Misserfolg seiner Karriere stuft Nowotny den Umgang mit der Hypo Alpe Adria ein. Wobei er sich sicher ist, damals den richtigen Rat gegeben zu haben, nämlich die Verstaatlichung der Bank. "Wir sind aber in die politische Diskussion gekommen. Wir waren die Feuerwehr und die Brandstifter haben uns dann beschuldigt". Das ökonomische Problem der Hypo sei gewesen, dass sie "leider ein Teil des Systems Jörg Haider war. Da waren auch bis kriminelle Aspekte drinnen".
Der bevorstehende Brexit werde in Österreich "fast keine Auswirkungen" haben, im Euroraum und dem Rest der EU auch nur wenige, erwartet Nowotny.
Das aktuelle Zinsniveau sieht Nowotny als nicht langfristig haltbar an: "Längerfristig sollte man eine Normalisierung anstreben", sagte er, wobei dieses Niveau höher als derzeit aber doch niedriger als vor der Finanzkrise liegen dürfte. Profitiert hätten über die niedrigen Zinsbelastung des Staates alle Steuerzahler und sonst alle die, die Kredite laufen haben, aber Verlierer seien die Sparer, räumte er ein.
Politische Bestellung üblich
Die Notenbankspitze werde immer und überall politisch besetzt, gibt der SPÖ-Vertreter Nowotny zu bedenken, wenn er darauf angesprochen wird, dass die neue Notenbankspitze von FPÖ und ÖVP gestellt wird. Wichtig sei die Qualität der Kandidaten. Diese wolle er zwar nicht beurteilen, aber sein Nachfolger Robert Holzmann (FPÖ) "ist jemand, den ich schon länger kenne und mit dem ich sehr gut zusammenarbeite". Und auch mit dem neuen Vizegouverneur Gottfried Haber (ÖVP) "arbeite ich gut zusammen". Die Vizepräsidentin des Generalrats der Nationalbank, Barbara Kolm (FPÖ) wiederum, die wegen einer Spendenaffäre in der Kritik steht, "ist die Vizepräsidentin quasi des Aufsichtsrates, sie hat keine Exekutivfunktion, das betrifft nicht unmittelbar die Notenbank". Ob ihr Verhalten "OK" sei könne er nicht beurteilen.
Nowotny selber, der sein Amt am 1. September an Holzmann übergibt, will nun ein Buch schreiben. Außerdem werde er Präsident der Gesellschaft für Europapolitik, um sich "für ein stärkeres Verständnis der Europäischen Integration" einzubringen.