Seit Tagen wird darüber spekuliert, wie die "harten Einschnitte" bei der Deutschen Bank konkret aussehen werden, die Konzernchef Christian Sewing bei der Hauptversammlung im Mai angekündigt hat.
In Frankfurt stellt man sich darauf ein, dass der Aufsichtsrat des Dax-Konzerns am Sonntag (7. Juli) Entscheidungen trifft. Eine erste wichtige Personalie wurde bereits am Freitag verkündet.
Schon wenige Wochen nach seinem Amtsantritt im April 2018 hatte der auf den Chefsessel katapultierte Privatkundenchef keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit gelassen, dem jahrelangen Durchwurschteln mit zuvor drei Verlustjahren in Folge ein Ende zu bereiten. "Wir werden den Kurs unserer Bank jetzt ändern. Es gibt keine Zeit zu verlieren", betonte Sewing damals. Bei der heurigen Hauptversammlung legte Sewing nach: "Wir haben immer noch zu hohe Kosten, die wir nicht direkt einer Leistung für unsere Kunden zuordnen können."
Bis zu 20.000 Stellen wackeln
15.000 bis 20.000 Jobs sollen nun auf der Kippe stehen. Mehr als jede fünfte der zuletzt knapp 91.500 Vollzeitstellen könnte also gestrichen werden. Wie stark der Kahlschlag die einzelnen Bereiche treffen wird, ist noch nicht durchgesickert. Klar scheint jedoch: Investmentbanker, die für die Deutsche Bank in den USA mit Aktien und Finanzinstrumenten handeln, müssen sich auf einiges gefasst machen.
Denn viele Geschäfte, mit denen die Deutsche Bank vor 20 Jahren ansetzte, die New Yorker Wall Street zu erobern, wurden immer mehr zur Last. Statt für Milliardengewinne steht die Sparte seit der Finanzkrise 2007/2008 für Milliardenstrafen. Dass Deutschlands größtes Geldhaus dennoch Milliarden an Boni ausschüttet, verstehen viele Aktionäre nicht - zumal sie selbst seit Jahren mit Mini-Dividenden abgespeist werden. Und auch der Kurs der Aktie macht wenig Hoffnung: Vom Höchststand von mehr als 90 Euro vor der Finanzkrise ist das Papier mit zuletzt rund 7 Euro meilenweit entfernt.
Rote Zahlen in der Investmentsparte
In den vergangenen beiden Quartalen schrieb die Investmentbank rote Zahlen. Schon als Sewing im Mai einen radikalen Umbau ankündigte, ließ er keinen Zweifel daran, dass bei den Kürzungen eben dieses Kapitalmarktgeschäft im Zentrum stehen würde.
Die "Süddeutsche Zeitung" (Freitag) berichtet gar von einer Zerschlagung der einst glorifizierten Sparte. Demnach erwägt der Vorstand, eine neue Sparte ("Corporate Bank") zu schmieden, in der die Betreuung von Unternehmenskunden gebündelt wird. Teil dieser Einheit soll demnach die Transaktionsbank (GTB) werden, die sich um den weltweiten Zahlungsverkehr sowie Wertpapier- und Kreditgeschäfte für Unternehmen, Finanzinstitute und andere Großkunden kümmert.
In den Überlegungen spielt Medienberichten zufolge auch eine interne "Bad Bank" eine Rolle. Der Deutsche-Bank-Vorstand erwäge, lang laufende Derivate im Volumen von bis zu 50 Milliarden Euro in eine interne Abwicklungseinheit auszulagern, um die Bilanz zu entlasten.
In New York stapeln sich schon die Umzugskisten
Die Mitarbeiter in der US-Zentrale der Deutschen Bank jedenfalls machen sich Berichten zufolge keine Illusionen. In den Büros in New York hätten sich bereits vor Tagen braune Umzugskisten gestapelt, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Im dortigen Handelssaal sei zeitweise ein Großteil der Stühle leer geblieben. Einige der Mitarbeiter, die zum Dienst erschienen, hätten offen im Internet nach Jobs bei der Konkurrenz gesucht.
Ende 2018 zählte die Deutsche Bank in ihrem Nordamerika-Geschäft, das vorwiegend aus den USA gesteuert wird, 9.275 Vollzeitstellen. Die Unternehmens- und Investmentbank im engeren Sinne hatte Ende März des laufenden Jahres 17.117 Vollzeitstellen.
Der erwartete radikale Umbau der Sparte kostet auch den Chef der Investmentbank, Garth Ritchie, seinen Job. Ritchie verlässt die Bank zum 31. Juli 2019, wie der Konzern am Freitag mitteilte. Die Führung der Unternehmens- und Investmentbank übernimmt Konzernchef Sewing.
Über einen Abgang Ritchies, der erst im April 2018 zu einem von zwei Stellvertretern Sewings ernannt worden war, wurde schon seit einiger Zeit spekuliert. Für Kritik auf Aktionärsseite sorgte unter anderem die relativ üppige Bezahlung des Briten. 8,6 Millionen Euro kassierte der Manager inklusive Boni für das Geschäftsjahr 2018 - mehr als Sewing (7 Mio. Euro) und fast genauso viel wie die sieben Vorstände der Commerzbank zusammen, die fast zum Fusionspartner geworden wäre.
Weitere Wackelkandidaten im Management
Als Wackelkandidatin gilt auch Sylvie Matherat, die seit November 2015 für Regulierungsthemen zuständig ist. Kratzer bekam das Image der ehemaligen Bankenaufseherin, weil die Finanzaufsicht Bafin der Deutschen Bank einen Sonderaufpasser in Sachen Geldwäsche-Prävention verpasste. Auch eine Razzia Ende November 2018 wegen des Vorwurfs, Mitarbeiter hätten Kunden bei der Geldwäsche geholfen, warf kein gutes Licht auf den von der Französin verantworteten Bereich.
Als sicher gilt: Bei kosmetischen Korrekturen wird es dieses Mal nicht bleiben. Denn das Zinsumfeld wird absehbar nicht einfacher und die internationale Konkurrenz zieht immer mehr davon. Die Idee, gemeinsam mit der Commerzbank eine schlagkräftigere Einheit zu schaffen, wurde verworfen. Der aus Oberösterreich stammende Aufsichtsratschef Paul Achleitner betonte bei der Hauptversammlung, die Deutsche Bank könne nicht weitermachen wie bisher: "Wir müssen noch schneller und radikaler umbauen."