Das Top-Thema heißt Elektro. Was zu tun ist, um möglichst schnell möglichst viele E-Autos auf die Straße zu bringen, dürfte am heutigen Montag die zentrale Frage beim Autogipfel im deutschen Kanzleramt in Berlin sein. Die derzeit einzige Baustelle der Branche ist das Thema Elektromobilität aber beileibe nicht.
Vorstände, Betriebsräte, Minister und Gewerkschafter - und natürlich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. In großer Runde treffen sich Spitzenvertreter der deutschen Bundesregierung sowie der Auto- und Zulieferindustrie am Montagabend in Berlin, um über die Zukunft der für Deutschland so wichtigen Branche zu beraten. Was die Konzerne aktuell umtreibt - ein Überblick:
ELEKTROMOBILITÄT
Ein Spiel mit hohem Einsatz und ungewissem Ausgang. Die deutschen Hersteller stecken Milliarden in Entwicklung und Produktion von Elektroautos, für die kommenden Jahre haben sie etliche rein elektrische oder Hybrid-Varianten ihrer Fahrzeuge angekündigt. Ihnen bleibt auch nicht viel anderes übrig, wenn sie nicht die strenger werdenden CO2-Grenzwerte für den Schadstoffausstoß in der EU reißen und mit hohen Strafzahlungen belegt werden wollen. Doch dass die Kunden mitziehen und dann auch in großem Stil Elektroautos kaufen, ist keineswegs sicher - Diesel-Fahrverbote in großen Städten hin oder her.
BMW kommt deshalb mit einem Positionspapier nach Berlin, in dem der Münchner Konzern von der deutschen Bundesregierung deutlich mehr Einsatz für die Elektromobilität fordert. Unter anderem müssten die Steuern für Ladestrom in Deutschland gesenkt und die Kommunen zur Schaffung von kostenlosen Parkplätzen und anderen Vorteilen gezwungen werden. Zudem müsse die EU den Ausbau des Ladenetzes europaweit durchsetzen.
Um die weiter schwache Nachfrage nach Elektroautos anzukurbeln, hat die deutsche Bundesregierung bereits die staatliche Kaufprämie bis Ende 2020 verlängert. Die sollte eigentlich Ende Juni auslaufen, hat die Erwartungen bisher aber nicht erfüllt. Zwar wurden im Mai laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Deutschland 4630 reine Elektroautos und gut 19.300 Hybride neu zugelassen. Das waren zusammen aber gerade einmal gut sieben Prozent aller Neuzulassungen.
Trotzdem wirft zumindest VW alles zugunsten der Elektroautos in die Waagschale. BMW und Daimler hingegen sind etwas zurückhaltender und wollen auch andere Antriebsarten nicht aus dem Blick verlieren.
ABSATZFLAUTE
Was den Herstellern bei den teuren Wetten auf die Zukunft so gar nicht hilft: Aktuell herrscht in vielen Teilen der Welt Flaute in den Autohäusern. Die Marke Volkswagen hat heuer bisher weltweit um 5 Prozent weniger Autos verkauft als von Jänner bis Mai 2018. Bei Audi waren es fast 6 Prozent weniger, bei Daimlers Kernmarke Mercedes-Benz 4,7 Prozent. Nur BMW liegt mit 1,6 Prozent im Plus.
Der deutsche Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht die Branche weltweit vor einer tiefen Krise. Laut einer Studie seines Forschungsinstituts CAR an der Universität Duisburg-Essen könnte im laufenden Jahr der globale Absatz neuer Autos um gut 5 Prozent auf 79,5 Millionen Stück sinken. Ein derart starker Einbruch war nicht einmal nach Beginn der Finanzkrise 2008 beobachtet worden.
Und auch wenn die Gründe für die aktuelle Lage mit internationalen Handelskonflikten, einem schwachen Markt in China, Modellwechseln oder neuen Abgasteststandards vielfältig und unterschiedlich sind, ist die Konsequenz doch bei allen Herstellern gleich: sparen, sparen, sparen.
AUTONOMES FAHREN
Dabei bräuchten die Autokonzerne das Geld aus dem Verkauf des Autos von heute eigentlich dringend für die Entwicklung der Autos von morgen. Denn neben der Elektromobilität verschlingt auch das zweite Megathema, das autonome Fahren, Milliarden. So viele, dass selbst die Größten der Branche mittlerweile eifrig Allianzen schmieden, um gegen die Konkurrenz der Tech-Konzerne aus den USA oder China bestehen zu können. So treiben Daimler und BMW künftig die Entwicklung auf diesem Gebiet gemeinsam voran, VW tut sich gerade mit Ford zusammen.
DIESEL- UND KARTELLÄRGER
Um den Dieselskandal ist es zuletzt zwar ruhiger geworden, ausgestanden ist er aber wohl noch lange nicht. Erst kürzlich war dem Zulieferer Bosch wegen seiner Verstrickung in den Skandal ein Bußgeldbescheid über 90 Millionen Euro ins Haus geflattert. VW und die Töchter Audi und Porsche mussten ebenfalls schon zahlen, zusammen mehr als 2 Milliarden Euro. Gegen Daimler läuft ein solches Verfahren noch.
Dazu kommen diverse strafrechtliche Ermittlungen und zivilrechtliche Verfahren, nicht nur in Deutschland. Das Verbraucher-Musterverfahren gegen VW, das Ende September beginnt, dürfte den Konzern wohl auf Jahre beschäftigen. Ein anderes, in dem es um einen möglichen Schaden für VW-Aktionäre geht, läuft bereits. Im Fall von Daimler wollen Anwälte ebenfalls ein solches Verfahren erreichen.
Offen ist auch noch, wie es im Kartellverfahren der EU weitergeht. Die Wettbewerbshüter werfen BMW, Daimler und VW vor, illegale Absprachen zu Technologien der Abgasreinigung getroffen zu haben. BMW hat als einziger Konzern vorsichtshalber mehr als 1 Mrd. Euro für mögliche Strafen zurückgelegt. Daimler hingegen setzt auf die Kronzeugenregelung und erwartet für sich keine Bestrafung.