Österreichs Wirtschaft wird laut aktueller Nationalbank-Prognose heuer und in den nächsten Jahren deutlich schwächer wachsen als zuletzt. In dieser konjunkturellen Situation wäre es das richtige Signal, Teile der geplanten Steuerreform bereits im kommenden halben Jahr umzusetzen, sagte Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny bei der Präsentation bei der jüngsten Nationalbank-Prognose.
Die Steuerreform sei von vornherein in Stufen angelegt gewesen, "und ich denke, dass es vernünftig und naheliegend ist, bei diesem Stufenprogramm zu bleiben", so Nowotny. So sollte etwa die Senkung der Versicherungsbeiträge für Niedrigverdiener oder die Senkung des Eingangssteuersatzes von 25 auf 20 Prozent wie geplant umgesetzt werden. Über die ersten Schritte dürfte breiter Konsens bestehen und es sollten dafür Mehrheiten im Parlament möglich sein, meinte Nowotny.
Weniger optimistisch
Die Senkung des Eingangssteuersatzes von 25 auf 20 Prozent bis 2021 würde etwa 0,3 Prozent des BIP ausmachen, "das sind schon Größenordnungen, die einen gewissen positiven Impuls geben, aber umgekehrt die Stabilität des Budgets nicht gefährden."
Die Nationalbank-Ökonomen blicken jetzt deutlich weniger optimistisch in die Zukunft als noch vor einem halben Jahr. Für heuer werden nun 1,5 Prozent Wachstum erwartet, im Dezember wurden 2,0 Prozent prognostiziert. Österreich schlage sich in einem schwierigen Marktumfeld wacker, sagte Nowotny. Die nachlassende internationale Konjunktur bremse das Wachstum in Österreich, die anhaltend dynamische Binnennachfrage wirke aber einem stärkeren Abschwung entgegen.2017 und 2018 war die österreichische Wirtschaft noch um jeweils 2,7 Prozent gewachsen. In den kommenden Jahren sollte es dann wieder eine leichte Verbesserung geben. Die Nationalbank erwartet für 2020 und 2021 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um jeweils 1,6 Prozent. Im Dezember war für 2020 noch ein Wachstum von 1,9 Prozent und für 2021 von 1,7 Prozent erwartet worden. Das seien zwar niedrigere Wachstumsraten als im Vorjahr, aber über einen Zeitraum von zehn Jahren betrachtet wären das kumuliert dennoch 16 Prozent Wachstum der realen Wirtschaft, erklärte Nowotny.
Wichtigster Handelspartner bereitet Sorgen
Das Problem aus österreichischer Sicht konzentriere sich derzeit auf Deutschland und auf die Industrie, erklärte Doris Ritzberger-Grünwald, Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft in der OeNB. Die Importnachfrage der österreichischen Handelspartner sei deutlich schwächer als noch in der Dezemberprognose erwarten worden sei. "Da gibt es zwei Bereiche, die hervorstechen. Das ist zum einen unser größter Exportmarkt Deutschland, der derzeit unter einer Wachstumsschwäche leidet, und der zweite Einbruch ist Asien, allen voran China, aber auch andere Länder im asiatischen Raum wie Indien."
Wichtige Stütze der Konjunktur: Der private Konsum
Bei Deutschland sei eine der entscheidenden Fragen, ob das derzeit sehr niedrige Wachstum dort durch Sonderfaktoren bedingt sei, "oder ist das ein Indikator, dass das Wachstumsmodell Deutschlands längerfristig unter Beobachtung zu sehen ist und an seine Grenzen stößt", sagte Nowotny. Deutschland sei stark exportabhängig, und es bestehe inzwischen nicht bloß die Gefahr eines Handelskrieges, "wir sind bereits in einem Handelskrieg".
Die Vertrauensindikatoren in der österreichischen Industrie seien in den letzten Monaten alle nach unten weggebrochen, sagte Ritzberger-Grünwald, allerdings sehe man eine Bodenbildung im Mai. "Wir haben durchaus gute Gründe für die Annahme, dass es der österreichischen Wirtschaft im zweiten Halbjahr wieder etwas besser gehen wird." Eine nach wie vor wichtige Stütze der Konjunktur sei der private Konsum, der wiederum durch das Wachstum der Haushaltseinkommen befeuert werde, die heuer um 2,2 Prozent zulegen sollen - nach 2,4 Prozent im Vorjahr. Der private Konsum soll heuer wie im Vorjahr um 1,6 Prozent wachsen.
"Wieder in die europäische Oberliga zurückgekehrt"
"Eine weitere gute Nachricht ist, dass Österreich, was den Arbeitsmarkt betrifft, wieder in die europäische Oberliga zurückgekehrt ist", sagte Ritzberger-Grünwald. Die Arbeitslosenquote laut Eurostat-Definition werde von 4,8 Prozent im Jahr 2018 geringfügig auf 4,7 Prozent im Jahr 2019 sinken und danach bis 2021 unverändert bleiben, so die OeNB-Prognose.
Die HVPI-Inflation gehe von 2,1 Prozent im Jahr 2018 auf 1,7 Prozent im laufenden Jahr zurück und werde 2020 und 2021 auf diesem Niveau verharren. Der gesamtstaatliche Budgetsaldo steige von plus 0,1 Prozent des BIP im Jahr 2018 auf plus 0,5 Prozent des BIP im Jahr 2021. Die Schuldenquote wird ausgehend von 73,8 Prozent des BIP im Jahr 2018 bis 2021 auf 65,3 Prozent des BIP sinken, erwartet die Nationalbank.