Wochenlange Wartezeiten oder überhaupt ein Aufnahmestopp: Heimische Firmen, die derzeit bei einer Zertifizierungsstelle – im Fachjargon „Benannte Stelle“ – um einen Termin für die Prüfung ihres Medizinprodukts ansuchen, müssen mit gravierenden Verzögerungen rechnen. Der Grund: Seit mehr als zwei Jahren gibt es in Österreich keine derartige Stelle mehr, europaweit hat sich die Anzahl halbiert.
Bis zu 50 Prozent höhere Kosten
Als Folge müssen heimische Unternehmen auf Benannte Stellen in Deutschland oder Slowenien ausweichen. Aufgrund der erhöhten Nachfrage gibt es dort aber keine Termine oder zumindest immense Wartezeiten beziehungsweise um bis zu 50 Prozent höhere Kosten. Für Start-ups, die ihre Innovation möglichst rasch auf den Markt bringen wollen, kann dieser Missstand zu einer Existenzbedrohung werden, wenn Fördergelder für diesen verlängerten Zeitraum nicht reichen.
Johann Harer, Geschäftsführer des Humantechnologie-Clusters (HTS), befürchtet daher ein „Sterben von kleinen Unternehmen“, die sich das aufwendige Prozedere nicht leisten können. „Derzeit finden wir nicht die besten Rahmenbedingungen vor“, bestätigt Alexander Hayn, Obmann des Bundesgremiums für Medizinprodukthandel.
„Wir gehen da in die verkehrte Richtung“
Besonders betroffen sind Geräte mit geringer Stückzahl beziehungsweise Apparaturen für Diagnostikverfahren, die bisher aus Kostengründen autonom zusammengestellt wurden. Zudem gebe es internationale Unterschiede. So prüft in den USA eine staatliche Stelle, während es in Europa bislang von den nationalen Gesundheitsministerien, künftig von europäischen Gremien überprüfte, private Einrichtungen sind. Wobei es in Österreich den Trend zu „Golden Plating“ gebe, also zu einer „Übererfüllung“ von Vorschriften, ergänzt Harer. So würden in Österreich angestellte Experten in einer Prüfstelle verlangt werden, während laut EU-Vorgaben auch externe Spezialisten reichen würden. „Wir gehen da in die verkehrte Richtung“, kritisiert der HTS-Chef.
"Produktpalette wird sich reduzieren"
Im Hintergrund wird daher intensiv daran gearbeitet, eine derartige Prüfstelle wieder nach Österreich (Wien) zu bekommen. Entsprechende Unterlagen werden dieser Tage eingereicht, bis zu einer Zulassung wird es rund ein Jahr dauern. Auch wenn sich laut Harer der konkrete Schaden der zweijährigen Vakanz „nicht beziffern lässt“, warnt er schon jetzt vor spürbaren Auswirkung: Die Produktpalette werde sich um 30 bis 50 Prozent reduzieren, die Medizinprodukte selbst werden sich verteuern.
Klaus Höfler