Der Handels-Kollektivvertrag hat es in sich. Im Sommer 2017 einigten sich die Sozialpartner auf ein neues Gehaltsschema für die über 400.000 Angestellten im Handel. Fast zwei Jahre später gehen Arbeitgeber und Gewerkschaft nun eine Reform der Arbeitszeitgestaltung und der Abgeltung an. "Heißes Eisen" sei dabei die Zuschlagsregelung, räumte Anita Palkovich von der GPA-djp Mittwochabend ein.
Am Sonntag etwa muss der Handel seinen Beschäftigten das Doppelte bezahlen. Auch am Abend ab 18.30 Uhr und am Samstag ab 13 Uhr gibt es Zuschläge. Die Arbeitgeber beklagen das schon lange als nicht mehr zeitgemäß, zumal die Menschen eben abends oder Samstagnachmittag ins Geschäft kommen.
Umfrage als Basis für Verhandlungen
Gesprochen werden soll auch über Regelungen für Telearbeit oder Home Office oder die Möglichkeit, ein Zeitguthaben anzusparen, um es in bestimmten Lebensphasen wieder konsumieren zu können. "Wir wissen, dass es bei vielen Beschäftigten den Wunsch nach neuen Elementen der Gestaltung der Arbeitszeit in Richtung bessere Arbeits- und Freizeitqualität gibt", sagte Palkovich.
Der erste Schritt, um sich diesen Themen zu nähern und bei den Beschäftigten vorzufühlen, sei getan. Gewerkschaft GPA-djp und Wirtschaftskammer haben eine Befragung sowohl von Handelsangestellten als auch Unternehmern gestartet. Im Mai sollen die Ergebnisse vorliegen, rund 5.000 ausgefüllte Fragebögen werden als Rücklauf erwartet. Sie sollen als Basis für die weiterführenden Gespräche dienen.
Neuer KV seit Dezember 2017
Wann hier ein Abschluss gelingt, ist nicht klar. Die Reform des Gehaltssystems hat dreieinhalb Jahre gedauert. Dieser KV gilt zwar schon seit 1. Dezember 2017, die Betriebe haben aber noch bis Ende 2021 Zeit, auf das neue Schema umzusteigen. Im Kern geht es darum, Berufseinsteiger besser zu bezahlen, wohingegen automatische Vorrückungen bei Älteren reduziert werden. Betroffen sind über 400.000 Angestellte im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel.
Rewe ist in der Umstellung
Bei Rewe beschäftige man sich schon seit eineinhalb Jahren mit dem neuen Gehaltssystem, sagte Billa-Betriebsratsvorsitzender Werner Hackl. "Das ist organisatorisch ein großer Aufwand, aber wir sind am Weg." Den Handelskonzern Rewe werde die Umstellung einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Zum größten Händler in Österreich gehören die Supermarktketten Billa, Merkur, Penny und Adeg sowie die Drogeriekette Bipa. Der Konzern beschäftigt in Österreich 44.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Es gebe aber auch viele Betriebe, die sich noch nicht allzu viele Gedanken um den Umstieg auf das neue Gehaltsschema gemacht hätten, sagte Palkovich. "Wir haben den Betrieben eine lange Frist eingeräumt. Ich appelliere aber, sich auf den Weg zu machen."
4-Tage-Woche im Handel
Ebenfalls holprig läuft nach Angaben der Gewerkschaft die Umsetzung der neuen Regelung für die 4-Tage-Woche. In den jährlich stattfindenden Kollektivvertragsverhandlungen wurde im Dezember ein Rechtsanspruch auf eine 4-Tage-Woche im Handel vereinbart. Dieser gilt seit 1. Jänner 2019 sowohl für Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigte. Sie können also ihre Normalarbeitszeit auf 4 Tage verteilen, indem sie an diesen Tagen mehr Stunden arbeiten.
Die Nachfrage seitens der Beschäftigten sei da, doch viele Betriebe würden sagen, es sei nicht umzusetzen, sagte Gewerkschafter Franz Georg Brantner, der den Kollektivvertrag auf Arbeitnehmerseite mitverhandelt.
Betriebe skeptisch
"Es ist eine Zurückhaltung von den Betrieben zu spüren. Da geht es um Vertragstreue." Die Arbeitgeber sollten erkennen, dass sie mit dem Rahmenrecht eine attraktive Branche gestalten könnten, sagte Brantner. Gleichzeitig sei es auch für sie besser: Wenn die Beschäftigten zufriedener seien, steige erwiesenermaßen die Produktivität. "Freizeit ist ein wichtiges Goodie", so Billa-Betriebsrat Hackl.
Bei der Buchhandelskette Thalia funktioniere die 4-Tage-Woche, erzählte Betriebsrätin Marie-Therese Reisenauer. Viele Pendler machten davon Gebrauch. "Die Frage ist, wie kreativ ist die Person, die den Dienstplan erstellt."