Wie schafft man es, über Jahrzehnte ein Trendsetter unter den österreichischen Hotels zu sein?
KARIN LEEB: Unsere DNA ist dadurch bestimmt, dass wir uns immer wieder neu erfunden und an die Gegebenheiten angepasst haben. Seit den 1970er-Jahren haben wir laufend Innovationen hervorgebracht – beispielsweise die Spezialisierung als Ferienhotel, die Animation, die Saisonverlängerung.
Dazu der beheizte See, das Hamam, der Chinaturm: Sehen Sie sich als Innovationsführer?
MARTIN KLEIN: Es ist eine Haltung, immer interessiert zu bleiben, was sich im Reiseverhalten der Gäste verändert.
LEEB: Und auch in der Gesellschaft. Es gibt immer mehr Singles, die mit Kind reisen und unorthodoxe Patchworkfamilien.
Inwiefern unorthodox?
LEEB: Erst letzte Woche kam eine Familie, bei der ich nach der Konstellation fragte, damit ich sie richtig ansprechen kann: Ein lesbisches Pärchen mit zwei homosexuellen Erzeugern der Kinder und den Großeltern. Die Diversität in der Gesellschaft bringt auch uns dazu, umzudenken: In der Korrespondenz, bei der Anrede.
KLEIN: Damit beschäftigen wir uns: am Puls der Zeit zu sein.
Verlagert sich die Aufmerksamkeit von der Hotel-Hardware zur Software?
KLEIN: Nicht unbedingt. Am Beispiel der Zimmer: Als der Hochschober die erfolgreichste Zeit hatte – Anfang der 1990er- bis Mitte der 2000er-Jahre – waren die Zimmer nicht auf dem Stand wie jetzt. Jetzt sind die Erwartungen der Gäste an die Ausstattung und Größe der Zimmer höher, weil sie mehr Zeit in den Zimmern verbringen als früher, als die sozialen Kontakte der Gäste untereinander wichtiger waren.
Wie einfach ist es für Sie, Altbewährtes hinter sich zu lassen?
LEEB: Wir waren nie bei den Lemmingen, die alles duplizieren. Es fordert einen sehr, nicht in den alten Mustern weiterzuleben , bis es zu spät ist. Deshalb haben wir uns zwei junge Assistenten geholt, weil auch wir den digitalen Wandel nicht mehr in allem mitmachen können. Die haben einen ganz neuen Blick auf die Sache.
Riskiert man, Stammgäste zu verstören?
KLEIN: Ich glaube, dass man manchmal Gäste abschreckt, weil man ihre Erwartungen nicht erfüllt. Wir werden oft als 5-Sterne-Hotel klassifiziert, wir sind das aber von unserer DNA her nicht – zu leger, zu lässig.
War je die Versuchung da, das „Hochschobern“ in andere Häuser zu exportieren? Heute sollte Erfolg ja möglichst skalierbar sein.
LEEB: Für mich war es nie da. Würde man es multiplizieren, müsste es einer aus dem Stamm heraus weitertragen.
KLEIN: Wir stehen für ein innovatives Ferien- und Wellnesshotel. Das kann man auf anderen Bergen auch schaffen. Die Frage ist: Will man sich das antun?
Leiden Hoteliers besonders darunter, dass sie Arbeit und Privatleben nicht ausbalancieren können?
LEEB: Die Verlockungen sind groß und es braucht auch Disziplin. Man muss sich auf verschiedenen Ebenen coachen lassen, auch als Paar. So wie man das Unternehmen professionell managt, versuchen wir auch unsere Beziehung professionell zu managen.
Booking.com und ähnliche Buchungsmaschinen nutzen Sie nicht – warum eigentlich?
LEEB: Wir haben eine eigene Buchungsmaschine auf der Homepage, zahlen dafür aber keine Provisionen. Zum Zeitpunkt, als wir umsteigen hätten können, haben wir lange gezögert, in der Hoffnung, die gute alte Zeit komme wieder. Dann waren wir drüber und in der Branche setzte sich die Erkenntnis durch, dass man wieder die Hoheit zurückgewinnen musste. Wir waren lange genug altmodisch, um wieder modern zu sein.
Wer zu Ihnen will, muss also direkt bei Ihnen buchen.
LEEB: Ja. Dazu kommt, dass jemand, der uns nicht kennt, uns auch nicht über die Turracher Höhe finden wird, weil die Destination nicht so bekannt ist, dass sie gesucht wird. Auch deshalb waren wir nicht in der Versuchung. Wir haben sehr wohl Digitalisierungsstrategien, investieren viel Geld für Suchmaschinenmarketing.
Was sind die nächsten Digitalisierungs-Schritte der Branche?
KLEIN: Ich glaube, dass die Information des Gastes im Haus bald über das Smartphone laufen wird. Wir werden keine Tafeln mehr aufstellen müssen, weil der Gast das Smartphone den ganzen Tag bei sich hat, auch im Wellnessbereich.
Ihr Vater, Frau Leeb, drohte noch mit im Wasser des Sees versenkten Handys – als Warnung, falls einer im Haus telefoniert.
KLEIN: Ihn hat das Bimmeln und Quaken aufgeregt, die ruhigere Zeit des Wischens hat er leider nicht mehr erlebt.
LEEB: Wir stellen jetzt im ganzen Haus auf das papierlose Büro um. Alle internen Informationen sind dann online. Und wir wollen auch die Reservierung papierlos machen.
Die Dokumentation, was die Gäste wollen, ist ein enormer Datenschatz, auf dem Sie sitzen?
KLEIN: Für uns ist es ein Wettbewerbsvorteil, mehr darüber zu wissen, was unsere Gäste wollen, als andere Hoteliers.
Bereiten Sie sich bereits auf den 100. Geburtstag vor?
KLEIN: 2029 ist für uns tatsächlich ein emotionales Datum. Bis dahin wollen wir einige Dinge ändern: Für die Kapazitäts- und Qualitätserweiterungen sind wir mitten in der Planung. Diese Diva ist eine alte Dame, die viel Aufmerksamkeit braucht, um in Schuss zu bleiben.
Teilen Sie die Meinung, dass es schwieriger wurde, gute Mitarbeiter zu finden als gute Gäste?
LEEB: Im Moment haben wir eine erfreuliche Situation. Durch gute Führungskräfte bekommt man auch gute Leute.
KLEIN: Als ich in die Branche gekommen bin, hatten wir hier 90 Prozent österreichische Mitarbeiter, jetzt sind es 50 Prozent und in zehn Jahren, da bin ich mir sicher, werden es keine zehn Prozent mehr sein. Es ist bedenklich, wenn man ein österreichisches Traditionshaus ist und keine Österreicher mehr hier arbeiten.
Woran liegt das?
KLEIN: Manche putzen lieber privat drei, vier Häuser, sind nicht angemeldet und haben am Ende des Monats gleich viel Geld mit weniger Stunden. Probleme gibt es vor allem dort, wo die Leute am Wochenende und am Abend arbeiten müssen – das wollen viele nicht. Es geht darum, ihnen Perspektiven zu schaffen, dass man nicht jedes Wochenende arbeiten muss.
Würde ein Hotel wie Ihres auch am Wörthersee funktionieren oder braucht es die Berge?
KLEIN: Es ist eine romantische Vorstellung, dass man an einem südlichen Badesee ein erfolgreiches Ganzjahreshotel führen kann. Ich kenne keines, auch nicht am Gardasee oder Luganer See. Der starke Winter am Berg gibt Kraft, auch eine laue Zeit im Sommer zu überstehen.
Wird man als Hotelier reich?
LEEB: Wer hiermit reich werden wollte, würde so viel Geld rausziehen, dass er den Betrieb gefährdet. Wir sehen uns nicht als Besitzer, sondern Verwalter, die das Unternehmen in der Familie weitergeben wollen.
KLEIN: Die Banken bewerten nicht die Substanz, sondern den Ertrag. Das Gebäude ist, überspitzt formuliert, „null minus Abriss“ wert. Von diesem „Leeb-Kuchen-Haus“ kann man sich also nichts runterbeißen.
LEEB: Wir arbeiten stetig und kontrolliert – anders als etwa unsere Tiroler Kollegen, die oft „wilde Hund“ sind. Wir sind nicht extrem risikofreudig, sondern fleißige Arbeiter.
KLEIN: Aber auch dabei kommt viel zusammen. Wir haben in den letzten 15 Jahren über 30 Millionen Euro investiert.