Die drohenden US-Sonderzölle von bis zu 25 Prozent auf Autos wären ein schwerer Schlag für die europäische Automobilindustrie. "Eine Dimension von 25 Prozent wäre de facto nicht verkraftbar - auch jede andere Belastung wäre ein Rückschlag für die Branche", sagte der Chef des oberösterreichischen Stahlriesen voestalpine, Wolfgang Eder, Dienstagabend vor Journalisten in Wien.
"Persönlich glaube ich, dass sich die Automobilindustrie sehr schwertun würde". Derzeit kassieren die USA einen Zoll von 2,5 Prozent für Pkw aus der EU und 25 Prozent auf Pick-ups. Im Gegenzug sind US-Autos in der EU mit einem Zoll von 10 Prozent belegt.
Die Branche stehe auch technologisch vor "sehr großen Herausforderungen". Die Elektromobilität wird sich seiner Meinung nach "in den nächsten Jahren in den Städten und Ballungsräumen durchsetzen. "Es gibt Menschen, die glauben, dass die batteriebetriebene E-Mobiliät zumindest für die nächsten drei Autogenerationen die Brückentechnologie für andere Antriebe sein wird - ich persönlich glaube, in den Ballungsräumen wird sie auch langfristig eine Zukunft haben."
Neuer Test als Belastung
Die Hersteller kämpfen zudem massiv mit dem neuen Abgasprüfstandard WLTP, der seit vergangenem September gilt und im heurigen Herbst in die nächste Stufe geht. "Der Test, der dann gilt ist anders als im vergangenen September", merkte Eder an. "Es ist nicht auszuschließen, dass es zu einer gewissen Verlangsamung der Automobilkonjunktur kommt." Für die gesamte Branche werde der nächste Herbst eine Herausforderung. "Wir werden sehen, wie die Automobilindustrie mit den zusätzlichen Tests zurande kommt."
Schon die erste Umstellung auf den neuen Standard löste ein Schlamassel aus: Seit gut einem halben Jahr dürfen nur noch Autos neu zugelassen werden, die den neuen Prüfstandard betreffend Schadstoffausstoß und Verbrauch durchlaufen haben. Bei den Autobauern kam es dadurch zu empfindlichen Lieferengpässen.
34 Prozent des Umsatzes mit Autos
Das hinterlässt auch Bremsspuren in der Bilanz der voestalpine, die die gesamte deutsche Automobilindustrie mit Kfz-Teilen beliefert und 34 Prozent ihres Konzernumsatzes im Unternehmensbereich Automotive erzielt. Nach zwei Gewinnwarnungen im laufenden Geschäftsjahr 2018/19 (per Ende März) infolge einer ganzen Reihe von Sonderfaktoren bestätigte der Konzernchef die zuletzt Mitte Jänner gekappten Prognosen: Eder geht für das gesamte Geschäftsjahr von einem Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) in Höhe von 1,55 Mrd. Euro und einem operativen Ergebnis (EBIT) von etwa 750 Mio. Euro aus - ursprünglich hatte die voestalpine hier 1,18 Mrd. Euro, ab Herbst nur noch knapp 1 Mrd. Euro erwartet. Gleichzeitig rechnet Eder heuer aber auch mit "einem neuen Rekordumsatz".
"Zwei Gewinnwarnungen in dem Geschäftsjahr - seit 1995 war es davor eine einzige - tun weh, aber wir sind überzeugt, dass es uns bis zum Jahresende gelingt, die Probleme nicht nur zu bewältigen, sondern in das nächste Jahr zu gehen, wo die Probleme weitgehend abgehakt sind", so der CEO.
Konkret meint er damit die massiven Probleme mit dem Hochlauf des erweiterten US-Automotive-Werks in Cartersville, der weitaus höhere Anlaufkosten als erwartet nach sich zog, sowie eine finanzielle Rückstellung für eine Kartellbuße, die der Konzern bilden musste. Ins Haus steht eine empfindliche Strafe wegen illegaler Preisabsprachen im Bereich Grobbleche vonseiten des Deutschen Bundeskartellamts. Die Höhe der vorsorglich bereits zurückgestellten Summe wollte die voestalpine auch auf neuerliche Rückfrage nicht beziffern. "Wir gehen davon aus, diese Themen mit dem Jahresabschluss weitestgehend abzuarbeiten", bekräftigte Eder.
Zwei Jahre Talfahrt
Auch insgesamt zeichnet der Konzernchef kein rosiges Bild - er rechnet mit einer gröberen Konjunkturdelle. "Wir sind auf der Sinuskurve am Beginn des Abschwungs." Bis zum Beginn des nächsten Aufschwungs vergehen seiner Meinung nach acht Quartale. "Sprich die Talfahrt dauert jetzt zwei Jahre", so Eder. Die Lage wird sich seiner Meinung nach nicht sehr rasch beruhigen. "Man sollte sich darauf einstellen, dass wir zwei Jahre vor uns haben, wo die Welt ziemlich schwierig wird."
Auch im Handelsstreit zwischen den USA und China ortet er keine Entspannung: "Für uns sieht es momentan nicht so aus, dass es kurzfristig zu einer Einigung kommt - da gibt es gewisse Sekundär-und Tertiäreffekte", bedauert der voestalpine-Chef. Länder wie China, Indien und Brasilien suchen nach Ersatzmärkten. "Diese Handelsauseinandersetzungen haben schon sehr weitreichende Konsequenzen, ohne dass man sie im Detail bewerten kann." Die USA hätten den Zugang für Werkzeugstahl "weitgehend dichtgemacht". Das betrifft die voestalpine. Die unmittelbaren Auswirkungen der US-Strafzölle seien aber insgesamt "überschaubar". Der Konzern beschäftigt in Nordamerika 3.000 Mitarbeiter an 48 Standorten und erzielt dort rund 1,3 Mrd. Euro Jahresumsatz. "Das, was in den USA an Belastung kommt, spielt sich in einer Dimension von 10 bis 15 Mio. Euro ab." Das "große Problem" seien vielmehr die internationalen Verflechtungen der Handelsmaßnahmen.
Der anstehende EU-Austritt der Briten berührt den Konzern, der dort mit sieben Standorten rund 300 Mio. Euro Jahresumsatz macht, den Angaben zufolge kaum. Auch generell sieht er die wirtschaftlichen Folgen eines Brexits eher gelassen - selbst im Falle eines harten, also ungeregelten, Austritts ohne Übergangsfristen. "Es wird massive logistische Verwerfungen geben, bis sich das alles eingespielt hat", erwartet Eder. "Die politische Dimension ist, glaube ich, größer als die wirtschaftliche - langfristig."