Just in Barcelonas Untergrund war ein sonniges Gemüt gefragt. Und Geduld. Weil Streiks zwar die Frequenz der Linien, nicht aber die Anzahl der Fahrgäste ausdünnte, glich das Einsteigen in viele U-Bahn-Züge dieser Tage einem regelbefreiten Ringkampf. Ankunftszeiten kletterten im Fünfminutentakt nach oben.

In den weiten Hallen des Messegeländes Fira Gran Via war eine Branche der Zeit indes wieder einmal voraus. Von Montag bis Donnerstag lud die Mobilfunkindustrie zum Mobile World Congress, mehr als 100.000 Menschen säumten das Messegelände auf der Suche nach neuesten Technologien.

Smartphones zum Falten

Ein Trend überstrahlte dabei die anderen: Erstmals zeigte die junge Branche fast flächendeckend Falten. Egal ob Samsung, Huawei oder unbekanntere Hersteller wie Royole, TCL und Nubia: Alle hatten sie in Barcelona biegsame Bildschirme im Gepäck. Die neue Geräteklasse soll den Produzenten helfen, gegen rückläufige Verkaufszahlen anzukämpfen und für höhere Durchschnittspreise zu sorgen – knapp 2000 Euro kosten die flexiblen Premiummodelle.

Der Erfolg aber wird im besten Fall erst mittelfristig eintreten. Strategy Analytics rechnet für das heurige Jahr mit nur 1,2 Millionen verkauften Falthandys. Und selbst wenn die Prognose zutrifft, dass es 2023 bereits 64,9 Millionen Geräte sind, wären das immer noch gerade einmal 3,5 Prozent der erwarteten Smartphoneverkäufe.

Dennoch zeigen die Produzenten dadurch, was technologisch möglich ist – und wecken zudem bei Kunden ein Bedürfnis, von dem viele mutmaßlich selbst noch nichts wissen. "All Ihre Fenster könnten eigentlich längst Displays sein", ließ ein hochrangiger Manager eines großen chinesischen Herstellers im Hintergrundgespräch tief in eigene Denkmuster und künftige Geschäftsmodelle blicken.

China trumpft auf

Chinas Aussteller traten in Barcelona pompös und selbstbewusst auf, selbst in politisch heiklen Angelegenheiten. "Prism, Prism an der Wand, wer ist der Vertrauenswürdigste im ganzen Land?", fragte etwa Guo Ping, der ins Amt rotierte Huawei-Chef, in Anspielung auf das Überwachungsprogramm des US-Geheimdienstes NSA. Eine neckische Reaktion auf den Spionagevorwurf, den die USA gegen Huawei erheben.

Warum Chinas privater Paradekonzern zunehmend ins Rampenlicht rückt, ist einfach erklärt. Das Unternehmen investiert gigantische Summen in Forschung, schaffte eine technologische Aufholjagd der Sonderklasse und ist auf bestem Wege, sich bald mit Samsung um die Nummer eins am Smartphone-Markt zu duellieren. Aber auch andere chinesische Marken wie Xiaomi oder Oppo wachsen in Europa und werden künftig das Bild heimischer Händler prägen.

Ist 5G eine "Illusion"?

Forciert wird dieser Wandel wohl auch von 5G und den dann erforderlichen neuen Geräten. In Barcelona freilich erzählte man sich nur Wunderdinge über den kommenden Mobilfunkstandard. Eine Sekunde etwa brauche es, um einen 256 Gigabyte großen Film aufs Handy zu laden, sagen die einen. Von quasi inexistenten Antwortverzögerungen der Zukunftsnetze schwärmen die anderen.

"5G ist da und wird im zweiten Quartal für Kunden verfügbar sein", jubilierte auch Cristiano Amon, Boss des Chipherstellers Qualcomm, auf offener Bühne. Tatsächlich ist 5G nicht mehr aufzuhalten. Wann der neue Mobilfunkstandard aber kommt und wie relevant er für Konsumenten in welchen Regionen sein wird, ist völlig offen. Noch immer stehen alle Länder dieser Erde vor einem flächendeckenden Netzbau. Von der "5G-Illusion" schreibt deswegen gar das deutsche "Handelsblatt". Österreich will beim neuen Mobilfunkstandard Vorreiter sein, eine Existenzberechtigung dürften 5G-Smartphones aber auch hier frühestens ab 2021 haben.

Deutlich wird bei den Diskussionen um den neuen Mobilfunkstandard, dass die Branche gelernt hat. Als LTE, also 4G, in Europa 2010 eingeführt wurde, gab es kaum Smartphones für das neue, schnelle Netz. Heute ist das anders. Egal ob Huawei, LG, Samsung oder Nokia: Alle präsentierten bereits 5G-fähige Endgeräte.

Techonologie aus Österreich

Will man wissen, wohin sich die Technologie und damit auch mögliche Anwendungen bewegen, lohnt auch der Besuch bei heimischen Halbleiterspezialisten. Schon jetzt werden dort Chips präsentiert, die in ein bis zwei Jahren im Serien-Smartphone landen. Heuer präsentierte LG in Barcelona etwa das neue G8 mit einer viel beachteten Frontkamera, die neben einer Gestensteuerung auch die Erkennung anhand des Venenmusters der Hand ermöglicht. Das soll sicherer als Gesichtserkennung sein, die technologische Schlüsselrolle spielt der Real3-Bildsensorchip von Infineon. Mitentwickelt wurde dieser in Graz.

Die ams AG aus Premstätten sorgte wiederum mit einem spektakulären optischen Sensor für Aufsehen. Dieser taugt zur "kardiovaskulären Überwachung mit klinischer Genauigkeit", misst also via Fitnessarmband oder Smartwatch Herzfrequenz, Blutdruck und EKG.

Welche Technologien aus dem riesigen Portfolio sich in den kommenden Jahren durchsetzen, wird final der Kunde entscheiden. Diesem darf man in technologisch stürmischen Zeiten durchwegs ein Stück jener Gelassenheit wünschen, die schon in Barcelonas U-Bahn-Zügen Schlüssel zum Wohlbefinden war.

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