Österreichs Wirtschaftswachstum wird sich nächstes Jahr auf zwei Prozent oder knapp darunter abbremsen - und im Jahr 2020 dann nochmals leicht nachgeben. Davon gehen die heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute aus. Die Arbeitslosigkeit sinkt weiter, aber nur langsam, die Inflation bleibt bei zwei Prozent. Größte Risiken bleiben der Brexit und der internationale Handelsprotektionismus.
Die heimische Konjunktur kühlt sich auf hohem Niveau ab, erklärte das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) am Donnerstag. Es erwartet für 2019 ein Abbremsen des realen BIP-Wachstums von heuer 2,7 auf 2,0 Prozent und dann 1,8 Prozent im Jahr 2020. Das Institut für Höhere Studien (IHS) sieht eine Dämpfung vor allem durch die schwächere Weltwirtschaft und mehrere Unsicherheitsfaktoren und geht von 1,7 und 1,6 Prozent Wachstum für 2019/20 aus.
Jobangebot steigt noch zügig
Die noch gegebene Hochkonjunktur lässt das Stellenangebot und die Beschäftigung in Österreich zügig expandieren, das Wifo geht von einem Rückgang der Arbeitslosenquote nach heimischer Berechnung von heuer 7,7 auf danach 7,3 und 7,2 Prozent aus. Beim IHS erwartet man eher ein Verharren bei 7,5 Prozent. Das Wifo rechnet für 2019 und 2020 mit noch jeweils rund 300.000 Arbeitslosen im Jahresschnitt, nach heuer gut 312.000.
Römischer Krisenherd vorerst beruhigt
Dass die italienische Budgetkrise nach der jüngsten Einigung mit Brüssel beigelegt scheint, beruhigt die Experten. Denn davon wäre Österreichs Wirtschaft aus Wifo-Sicht am meisten betroffen gewesen, hätte dies einen Bank-Run bewirkt, nachdem schon bisher italienische Anleger ihre Ersparnisse vermehrt ins Ausland transferiert hatten.
Risikofaktor Brexit
So bleibt als wesentlicher Unsicherheitsfaktor der Brexit, insbesondere wenn es zu einem ungeregelten Austritt des Königreichs aus der EU käme. Das IHS sieht in den wirtschaftlichen Folgen, die vom Brexit ausgehen könnten, sogar "weiterhin das größte Konjunkturrisiko für Europa" - insbesondere weil die Möglichkeiten der Europäischen Zentralbank (EZB) derzeit gering seien, einem Konjunkturabschwung entgegenzusteuern. Und das Wifo hält das Thema Brexit für Österreich für bedeutsamer im Vergleich etwa zum Handelskonflikt zwischen den USA und China.
Wer die Hochkonjunktur trägt
In Österreich steht die Konjunktur laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) derzeit auf einer festen Basis. Die Nachfrage übertrifft in immer mehr Bereichen die Produktionskapazität, sodass ein Nachfrageausfall auf bestimmten Märkten durch die Nachfrage auf anderen Märkten ausgeglichen werden kann, erklärte das Wifo am Donnerstag.
Getragen wird die aktuelle Hochkonjunktur von der Industrieproduktion, aber auch vom Bausektor und den Dienstleistungen. In der Industrie habe die Wirtschaftsdynamik 2018 ihren Höhepunkt erreicht, so das Wifo. Die Investitionstätigkeit habe heuer an Dynamik verloren. Es sorge aber die äußerst geringe Importnachfrage für ein wertschöpfungsintensives Wachstum. Die Auslandsnachfrage wiederum stütze die Produktion im Inland.
Einkommen steigen
Die Einkommen der Privathaushalte und ihre Konsumnachfrage werden laut Wifo durch "solide Lohnerhöhungen" und eine Verringerung der Abgabenbelastung gestärkt werden. Der Anstieg der Löhne und Gehälter werde sich 2019 neuerlich beschleunigen - da die Abschlüsse der heuerigen Herbstlohnrunde etwas über den Erwartungen der letzten Wifo-Prognose von Anfang Oktober gelegen seien: "Nach Abzug von Steuern und Inflation ergeben sich Zugewinne pro Kopf u nd Arbeitsstunde", hält das Institut fest.
Familienbonus dämpft Belastung
2019 und 2020 werde die Abgabenbelastung durch den neuen Familienbonus gedämpft, 2019 zudem durch die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Das Wachstum der Nettoreallöhne werde daher 2019 am höchsten sein. Für 2020 dagegen werde - parallel zur Konjunkturabkühlung - mit geringeren Lohnabschlüssen gerechnet; zugleich dämpfe die kalte Progression dann wieder zunehmen die Nettolohnentwicklung, so das Wifo.
2020 öffnet sich der kroatische Arbeitsmarkt
Die Beschäftigungsexpansion verlangsame sich mit dem Nachlassen der Konjunktur - und damit auch der Rückgang der Arbeitslosigkeit, erklärt das Wifo. Und wenn Mitte 2020 die Personenfreizügigkeit für Kroatien in Kraft tritt, werde der Wettbewerb unter den Arbeitsuchenden noch etwas intensiver. "Die Zahl der Arbeitslosen dürfte dann kaum mehr zurückgehen und 2020 knapp unter 300.000 liegen", so die Experten.
Das IHS urgiert tiefgehende Strukturreformen seitens der Politik, damit das Wachstumspotenzial von Österreichs Wirtschaft gekräftigt und die Widerstandskraft gegenüber internationalen Konjunktureinbrüchen erhöht werden kann. Finanzielle Spielräume für die geplante Steuerreform 2020 - die auf eine Senkung der Abgabenbelastung abziele -, müssten erst geschaffen werden. Die Reform biete aber die Chance zur Optimierung der Steuerstruktur.
Überschuss ab 2019 möglich
Die öffentlichen Haushalte in Österreich sehen sowohl das IHS als auch das Wifo in einer recht erfreulichen Lage. Schon heuer dürfte der Haushalt des Gesamtstaats ungefähr ausgeglichen sein, nehmen beide Institute an. Und für 2019 und 2020 rechnen sie sogar mit einem Maastricht-Überschuss, der dem IHS zufolge 0,2 bzw. 0,4 Prozent des BIP betragen dürfte, laut Wifo sogar 0,4 sowie 0,5 Prozent. Es sei aber nötig, weitere Reformen zur Dämpfung der Ausgabendynamik umzusetzen, betont etwa das IHS und fordert, dass zu den Bereichen Bildung, Gesundheit, Pensionen und Föderalismus gravierende Strukturreformen "umgehend erfolgen".
So wächst Europa
Unseren wichtigsten Außenhandelspartner Deutschland sehen die Institute weiter - noch - etwas schwächer wachsen als Österreich, wenngleich sich der Vorsprung Österreichs 2019 verkleinert und 2020 ganz verschwinden dürfte. Für die Eurozone rechnet das Wifo für 2019/20 mit 1,7 und 1,8 Prozent Realwachstum, das IHS mit 1,7 und 1,6 Prozent. Die EU-28 soll demzufolge laut Wifo um je 1,8 Prozent zulegen (die EU-27, ohne Großbritannien, um je 1,9 Prozent), beim IHS erwartet man 1,7 und 1,6 Prozent Expansion für die EU-28. In den USA dürfte sich das Wachstum 2019 auf 2,5 Prozent abschwächen, 2020 dann auf unter 2 Prozent, da gehen beide Institute ziemlich konform.