Rund 60 Eisenbahnunternehmen, 40.000 Beschäftigte – das ist die österreichische Bahn. Der größte Player ist die staatliche ÖBB. Andere größere Betriebe sind die Graz-Köflacher Bahn und die mehrheitlich private Westbahn von Hans Peter Haselsteiner. Am vergangenen Montag fand der erste übergreifende Arbeitskampf der Eisenbahner statt. Heute wird zum zehnten Mal über die Kollektivverträge verhandelt.
Eisenbahner-Gewerkschaftschef Roman Hebenstreit will nicht aufstehen, bevor es ein Ergebnis gibt. "Wir sind Schichtarbeiter. Wir halten das durch." Was ihn ärgert: Dass die Arbeitgeber mit Chefverhandler Thomas Scheiber („wir sind vor dem Streik nicht mehr durchgedrungen“) Zwischenergebnisse vom Tisch gewischt und neue Forderungen gestellt sowie gleichzeitig den Arbeitnehmervertretern vorgeworfen hätten, diese hätten die Verhandlungen torpediert.
Über ein Scheitern der Verhandlungen am Wochenende und Streiks will er nicht spekulieren. "Ich hoffe nicht, dass die Arbeitgeber uns in diese Ecke treiben."
Die Einstiegsgehälter sollen nach dem Willen der Gewerkschaft angehoben werden, wobei das auch im Interesse der Arbeitgeber ist. Ein Lokführer bekommt derzeit 1.850 Euro brutto. Für sie und für Wagenmeister, Verschieber oder Fahrdienstleiter gilt: Es gibt kaum Bewerbungen, jährlich fallen sieben Millionen Überstunden an. Über ein neues Lohnschema wird seit einem Jahr intensiv verhandelt. Auch deshalb war der letzte Lohnabschluss sehr moderat. Weitere Forderungen: Erzwingbarer Zeitausgleich und ein Treuegeld nach 15 Jahren. Hebenstreit: "Wir haben keinen Fachkräftemangel, sondern ein Bezahlproblem." Dem gelte es entgegenzuwirken.
Im Schichtbetrieb arbeiten 50 Prozent der Beschäftigten, sie sind im Durchschnitt 46 Jahre alt. Zeitzuschläge auf die Nachtarbeit sollen, so Hebenstreit, die Arbeitszeit indirekt verkürzen. Interne Umschulungsprogramme sollen bei gesundheitlichen Problemen den Verbleib im Unternehmen erleichtern.
Auch andere Forderungen wie das Recht auf ein Sabbatical, das Führen von Geld- und Zeitwertkonten sowie die Möglichkeit einer Vier-Tage-Woche sollen das Arbeiten bei der Bahn wieder attraktiver machen.
Viele Bahnbeschäftigte sind im Vereinsleben aktiv. Für sie will man einen freien Tag für Weiterbildungsmaßnahmen bei Blaulichtorganisationen erkämpfen. Der neuen Forderung der Arbeitgeber, das Mindestalter der Lokführer auf 19 Jahre zu senken, um mehr Bewerber zu finden, könne man nicht nahetreten, so Hebenstreit. Schon aus Sicherheitsgründen.
Das Angebot der Arbeitgeberseite von 3,37 Prozent Lohn- und Gehaltsplus bezeichnete Hebenstreit als "Kreativrechnung", weil es Einmalzahlungen enthalte und sich nicht auf die KV-Gehaltstabelle und IST-Gehälter beziehe. Bei der Prozent-Forderung der Gewerkschaft ließ sich der vida-Chef aber nicht in die Karten blicken.
Claudia Gigler