Die Regierung in Deutschland hat nun beschlossen, dass deutsche Dieselfahrer Umtauschprämien und teilweise auch Nachrüstungen erhalten sollen. Rechnen Sie jetzt damit, dass es jetzt auch in Österreich zu solchen Forderungen kommt?
HANS PETER SCHÜTZINGER: Die beschlossenen Maßnahmen sollen drohenden Fahrverboten in 14 deutsche Städten entgegenwirken, in denen die Luft als besonders belastet gilt. Dieses Thema stellt sich aktuell für uns in Österreich nicht, weil wir keine vergleichbare Situation in unseren Städten vorfinden und daher auch keine Fahrverbote drohen.
Könnten Sie sich Umtauschprämien für ältere Diesel auch in Österreich vorstellen?
Wir hatten im Vorjahr eine hoch dotierte Umtauschaktion für ältere Dieselfahrzeuge im Angebot, bei der wir die eingetauschten Fahrzeuge ausnahmslos einer Verschrottung zuführten. In Summe waren dies mehr als 10.000 alte Dieselfahrzeuge, die wir aus dem Verkehr gezogen haben und damit einen wertvollen Beitrag zur Verjüngung des Fahrzeugbestandes geleistet haben. Aktuell haben wir keine Umtauschprämie geplant. Bei unseren Marken laufen zur Zeit jedoch zahlreiche andere Marktaktionen, die den Umstieg auf einen Neuwagen fördern.
Sie stehen seit fast genau einem Jahr an der Spitze des umsatzstärksten Unternehmens in Österreich. Wie turbulent war dieses erste Jahr für Sie?
Es war ein sehr intensives Jahr und extrem kurzweilig. Die Umstellung von der Nummer zwei zur Nummer eins im Unternehmen war dann überraschenderweise doch größer als von mir vorher angenommen. Weniger, was die fachlichen Entscheidungen betrifft, als vielmehr die Vertretung des Unternehmens nach außen und die Einbindung in diversen Fachgremien im Konzern …
. . . auch politisch?
Als Porsche Holding verhalten wir uns politisch neutral. Wir freuen uns aber schon darüber, dass die aktuelle Regierung eine positive Einstellung zum Auto zeigt. Das ist insofern erfreulich, weil bis zu 500.000 Arbeitsplätze in Österreich daran hängen.
Was war in Ihrem ersten Jahr als Kapitän sonst noch prägend?
Wir konnten als größtes Handelsunternehmen Österreichs im Vorjahr erneut auf ein beachtliches Wachstum zurückblicken. Neben unserem eigentlichen Kernthema, dem Autoverkauf, sind wir weiterhin mit der Aufarbeitung der Diesel-Thematik beschäftigt. Auch hat uns die Umstellung der gesamten Modellpalette auf den WLTP-Messzyklus sehr gefordert.
Das Konsumentenschutzministerium hat gemeinsam mit dem VKI Sammelklagen gegen Volkswagen präsentiert. Wie blicken Sie diesen entgegen?
Geklagt wird die Volkswagen AG und nicht unsere Vertriebsorganisation. Es gibt in Österreich kein rechtskräftiges Urteil, in dem Fahrzeugeigentümer mit ihrer Klage gegen die Volkswagen AG Erfolg hatten. Daran werden auch die Aktivitäten des VKI nichts ändern, da sich die Gerichte mit genau den gleichen rechtlichen Problemstellungen auseinandersetzen werden müssen. Die Volkswagen AG geht der gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem VKI nicht aus dem Weg.
Das kann aber noch dauern.
Wir würden uns gerne wieder gänzlich mit dem Verkaufen von Autos beschäftigen und nicht mit Prozessen. Es stellt sich für uns schon die Frage, ob man in Einzelfällen Verfahren aus prozesstechnischen Gründen nicht beschleunigen kann.
Sie denken an weitere Vergleiche mit den Klägern?
Lange Prozesse bringen weder dem Kunden noch uns etwas.
Der Absatz von Diesel-Autos ist gesunken. Geht das so weiter?
Den Rutsch beim Marktanteil hat es ja bereits gegeben, bei unseren Konzernmarken von einst 65 auf jetzt 46 Prozent. Ich gehe davon aus, dass es noch leicht seitlich nach unten geht, aber nicht mehr dramatisch. Am Land spielt der Diesel nach wie vor eine große Rolle. In den Städten wird sich die Elektromobilität zunehmend entwickeln, auch aufgrund der sich verschärfenden Umweltdiskussion. Speziell bei den Flottenkunden bemerken wir eine gewisse Verunsicherung, auf Grund der anhaltenden Diskussionen zu drohenden Dieselfahrverboten in deutschen Städten. Was die Wirtschaftlichkeit anlangt, ist der Diesel weiterhin unschlagbar.
Glauben Sie bedingungslos an die Elektromobilität?
Ich denke, dass der Weg in Richtung Elektromobilität vorgegeben ist, der Volkswagen-Konzern geht ja auch klar in diese Richtung und richtet seine Strategie darauf aus. Und wir ziehen hier natürlich mit.
Überrascht es Sie, dass die Elektromobilität trotz relativ großzügiger Förderkulisse nicht wirklich in die Gänge kommt?
Nein, nicht wirklich. Es gibt drei Gründe. Zum einen das Angebot, das ja noch nicht wirklich breit ist, die wirkliche großflächige Anlieferung passiert dann ab 2020 mit der neuen I.D.-Familie von Volkswagen. Da wird es dann zu einem Schub kommen. Zweiter Grund ist der derzeit noch hohe Preis für die verfügbaren Modelle und der dritte ist eben die vielfach noch fehlende Lade-Infrastruktur.
Wie sehen Sie die Zukunft der Händler und Werkstätten?
Nach wie vor positiv. Hersteller haben eingesehen, dass eine gänzlich digitale Betreuung nicht möglich ist. Der Kunde will seinen Ansprechpartner im Handel und beim Service haben. Auch wenn Elektroautos weniger Komponenten haben und weniger Wartung benötigen, gibt es umgekehrt neue, sehr komplexe Herausforderungen, Stichwort Konnektivität. Daraus werden sich für die Händler neue Aufgaben und Geschäftsfelder auftun. Es fällt etwas weg, es kommt aber auch Neues hinzu. Mittelfristig werden wir sogar dreigleisig fahren, wir haben dann bei jedem Modell Verbrenner, Elektroantrieb und Hybrid. Da geht den Werkstätten die Arbeit nicht aus.
Die Absatzzahlen von Volkswagen haben auch 2018 stark zugelegt, kommt jetzt der Knick durch den neuen Prüfzyklus WLTP?
Wir hatten fantastische Zahlen und einen steigenden Marktanteil in den ersten acht Monaten. Wir sind mit sieben Modellen in den Top-10 in Österreich und waren mit unseren Modellen nach den ersten acht Monaten so gut wie ausverkauft. Im September haben wir eine kleine Delle gehabt, die aber nicht unerwartet kam. Durch die Umstellung auf WLTP gab es bei unseren Marken Einschränkungen bei der Verfügbarkeit von unterschiedlichen Modellen.
Durch WLTP steigt auch die NoVA, wie hoch liegt der Anstieg bei VW-Modellen im Schnitt?
Im Schnitt bei ein bis zwei Prozentpunkten, also etwas unter dem Markt-Durchschnitt.
Wo sehen Sie die Positionierung der Porsche Holding im Gesamtkonzern?
Unsere Position ist heuer im Frühjahr noch einmal geschärft worden. Wir berichten direkt an den Vorstandsvorsitzenden von Audi, der in Konzernfunktion die Vertriebsaktivitäten steuert. Die Porsche Holding ist innerhalb des Volkswagen-Konzerns generell der Spezialist für den Einzelhandel, sowie für kleinere und mittlere Märkte im Großhandel. Wir sind die Digitalisierungsspezialisten im Konzernvertrieb und damit voll in alle Projekte eingebunden. Das ist eine tolle Sache, die unsere Perspektive nachhaltig mit Schwung versehen hat.
Wie sehen die weiteren Wachstumsperspektiven der Porsche Holding aus?
In den kommenden zwölf Monaten möchten wir die verbleibenden konzerneigenen Einzelhandelsaktivitäten von Volkswagen in unsere Verantwortung übernehmen. Wir haben zuletzt in Frankreich unsere Performance deutlich erhöht und damit gezeigt, dass wir kurzfristig in der Lage sind die Aktivitäten zu drehen und das Einzelhandelsgeschäft nachhaltig erfolgreich zu führen. Im Großhandel haben wir auch einige Länder, auf die wir blicken, da laufen Verhandlungen. Neben neuen Aufgaben in Europa und in Asien, gibt es in Südamerika auch zwei Länder, die auf uns zugeschnitten wären. Wir haben derzeit insgesamt 30.000 Mitarbeiter, in fünf Jahren könnten es bereits rund 40.000 sein.