Marcos de Brito e Cunha lebt an diesem Tag die Rolle des Stehaufmännchens. Immer wieder erhebt sich der Chefstatistiker des Arbeitsmarktservice (AMS) Steiermark aus seinem Sessel, um mit Kugelschreiber bewaffnet einzelne Punkte auf der Präsentation im Hintergrund gestenreich hervorzuheben. Im Fokus steht die Zukunft: Anhand von statistischen Modellen und Zeitreihenanalysen haben de Brito e Cunha und sein Team Entwicklungen am steirischen Arbeitsmarkt bis ins Jahr 2030 dargestellt. Aus dem Papier, das vom AMS gemeinsam mit Joanneum Research erstellt wurde und auf Daten der Statistik Austria zurückgreift, lassen sich fünf zentrale Trends ableiten.

1. Die Babyboomer verlassen den Arbeitsmarkt

Die Steiermark wird älter, die Babyboomer verlassen den Arbeitsmarkt. Altersbedingte Verschiebungen in den Jahren bis 2030 sind die Grundlage für viele Trends am Arbeitsmarkt. Kurz gefasst: Ist heute jeder fünfte Steirer über 65 Jahre alt, wird es 2030 jeder vierte sein. Die „Babyboomer-Generation“ (Jahrgang 1956 bis 1969) geht in den kommenden Jahren in den Ruhestand – und hinterlässt eine große Lücke am Arbeitsmarkt. Die Anzahl der „nicht erwerbsaktiven Personen über 65 Jahren“, wie es im AMS-Bericht heißt, soll von 250.500 (2017) auf insgesamt 322.500 (2030) ansteigen. Fallen die Babyboomer weg, muss jemand anderer die Lücke schließen. Passiert das nicht, könnte auf den aktuellen Fachkräftemangel ein viel breiterer „Arbeitskräftemangel“ folgen (Marcos de Brito e Cunha).

2. Menschen bleiben länger in der Arbeitswelt

Die Arbeitsmarktexperten rechnen, dass immer weniger Menschen im Haupterwerbsalter zur Verfügung stehen. So soll die Anzahl der 25- bis 50-Jährigen bis 2030 von 34 Prozent auf 31 Prozent zurückgehen. Das heißt: Um die Babyboomerlücke zu schließen, müssten etwa ältere Menschen länger in Beschäftigung bleiben. Die AMS-Erwartung: Stehen heute 66,6 Prozent der 50- bis 65-Jährigen im Erwerbsleben, werden es 2030 in Summe 84 Prozent sein.

3. Der Anteil der „Erwerbsbevölkerung“ nimmt zu

Macht die „Erwerbsbevölkerung“ (Beschäftigte + Arbeitslose + Schulungsteilnehmer + Lehrstellensuchende) heute 72,7 Prozent aus, sollen 2030 schon 79,2 Prozent der Steirerinnen und Steirer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Das hat in erster Linie mit der Erwerbsquote bei Frauen zu tun. Bis 2030 soll diese von 66,1 auf 74,3 Prozent steigen.

4. Regionale Suche nach Arbeitskräften wird härter

Werden die Erwartungen des Papiers Realität, wird die Bevölkerung bis 2030 nur in vier Arbeitsmarktbezirken (Graz, Gleisdorf, Weiz und Leibnitz) wachsen, überall anders sinkt sie. Das hat auch einen Einfluss auf die zitierte „Erwerbsbevölkerung“. Während sie in Graz bis 2030 um 19,4 Prozent steigen soll, droht Murau ein Minus von 20,1 Prozent. Aber: Mit Regionalentwicklung können diese Werte beeinflusst werden.

5. Die Nachwuchssorgen

In manchen Branchen (etwa Gastronomie) sinkt der Anteil der 15- bis 25-jährigen Beschäftigten stark. Bleibt der Trend bestehen, droht den „Branchen mit einem hohen Anteil an Beschäftigten mit Lehrabschluss“ laut AMS ob „Überalterung und nicht zur Verfügung stehendem Nachwuchs“ ein „verstärkter Fachkräftemangel“.