Nach der vorläufigen Einigung mit Mexiko auf ein neues Handelsabkommen setzt US-Präsident Donald Trump nun Kanada unter Druck. Sollte der Nachbar im Norden nicht ebenfalls einer Überarbeitung des bisherigen Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) zustimmen, würden Zölle auf Fahrzeuge und Zulieferer erhoben.
"Ich denke ehrlich gesagt, mit Kanada ist es am einfachsten, ihre Autos mit Zöllen zu belegen", sagte Trump. Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland wurde am Dienstag zu Handelsgesprächen in Washington erwartet. Ein US-Regierungsvertreter betonte, es gebe die Chance, dass bis Freitag eine Einigung stehe. Die deutsche Wirtschaft, die hunderte Milliarden in Nordamerika investiert hat, hofft auf eine Einigung zwischen den drei Partnern.
16 Jahre Laufzeit
In der mit Mexiko erzielten Vereinbarung ist festgelegt, dass der vorgeschriebene Anteil nordamerikanischer Komponenten in der Autoindustrie von 62,5 auf 70 Prozent steigt. Zudem sollen 40 bis 45 Prozent der Teile von Arbeitern hergestellt werden, die mindestens 16 US-Dollar pro Stunde verdienen. Das zielt darauf ab, Verlagerungen in das Niedriglohnland Mexiko zu verhindern. Das Abkommen soll 16 Jahre laufen und jeweils nach sechs Jahren überprüft werden.
"Es verhindert einen Handelskrieg, bedeutet in der Summe aber ein gewisses Zurückdrehen der Globalisierung, zumindest in der Industrie", sagte Commerzbank-Ökonom Christoph Balz. "Trump wird hoffen, dass seine Stammwähler wie etwa Industriearbeiter die Schutzmaßnahmen für die US-Industrie bei den Zwischenwahlen im November honorieren werden. Als Folge dürften allerdings etwa nordamerikanische Autos teurer werden." Das werde den Export von US-Autos erschweren.
Börsianer begrüßten das Abkommen, da es die Gefahr eines Handelskriegs zwischen den drei nordamerikanischen Ländern vorerst bannt. Die US-Aktienindizes S&P 500 und Nasdaq erklommen am Montag neue Höchststände. Besonders die Kurse von Autobauern zogen an. Deutsche Hersteller wie Volkswagen profitieren ebenfalls von einem reibungslosen Handel zwischen den USA und Mexiko, denn sie verkaufen in Mexiko produzierte Fahrzeuge auf dem US-Markt. Volkswagen-Papiere verteuerten sich am Dienstag um rund 2,5 Prozent. Auch in Kanada produzierte Fahrzeuge großer Konzerne wie Toyota oder Ford werden in die USA geliefert.
Derzeit fehlt Planungssicherheit
Eine nachhaltige Einigung aller drei NAFTA-Partner würde den deutschen Unternehmen endlich wieder mehr Planungssicherheit geben, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben. Zugleich warnte er: "Bricht der Dreierpakt auseinander, würde dies auch die deutschen Unternehmen in Nordamerika treffen. Denn diese haben dort in Milliardenhöhe investiert und über Jahre umfassende Lieferketten aufgebaut."
Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) hofft auf eine Einigung. "Denn die Wertschöpfungsketten in den drei Ländern sind eng verflochten", sagte VDA-Präsident Bernhard Mattes. "Bis zum fertigen Fahrzeug passieren Teile mehrfach die Grenzen. Deswegen ist es nun genauso wichtig, dass es zu einer Vereinbarung mit Kanada kommt und somit neue Zölle vermieden werden." Seit Ende der 90er Jahre hätten die deutschen Hersteller und Zulieferer die Zahl ihrer Standorte im NAFTA-Raum auf mehr als 430 verdreifacht. Die Unternehmen bräuchten stabile Rahmenbedingungen und Planungssicherheit.
Ruhe an der Handelsfront
Die jetzige Einigung mit Mexiko nährt die Hoffnung, dass ein Ausufern des Handelskonfliktes zwischen den USA und China verhindert werden kann. Gleiches gilt für die EU und die USA - hier herrscht zumindest bei den angedrohten Sonderzöllen auf Autos seit Ende Juli ein Waffenstillstand. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Trump sprachen sich nach einem Telefonat für eine Entschärfung des Handelsstreits aus. Beide hätten erklärt, sie unterstützten laufende Gespräche zwischen der EU und den USA über den Abbau von Hindernissen für eine vertiefte Handelsbeziehung, wie das US-Präsidialamt mitteilte.
Der Handelskonflikt zwischen den USA und der EU ist nach den Worten von Deutschlands Außenminister Heiko Maas mit der jüngsten Absprache von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Trump noch nicht beigelegt. "Gelöst ist das Problem damit noch nicht", sagte der SPD-Politiker in Berlin. Die von den USA erhobenen Zölle und andere Handelsbeschränkungen seien nichts anderes als Protektionismus. Maas forderte die USA auf, ihre Zölle gegen die Europäer dauerhaft auszusetzen und die Drohungen gegen die EU-Autoindustrie zurückzunehmen.
Autos aus dem Ausland hat Trump als Sinnbild für die Bedrohung der US-Industrie dargestellt. Der Branche wirft er vor, Arbeitsplätze und Produktion wegen niedrigerer Lohnkosten nach Mexiko zu verlagern. "Wir werden den Namen 'NAFTA' abschaffen", sagte Trump. Dieser habe einen schlechten Beigeschmack. Trump und Mexikos scheidender Präsident Enrique Pena Nieto erklärten, Gespräche mit Kanada würden schon in Kürze beginnen. Ein Sprecher des kanadischen Außenministeriums sagte, Kanada stehe in regelmäßigem Kontakt mit seinen Verhandlungspartnern und arbeite auf eine neue Vereinbarung hin. Allerdings werde das Land eine Übereinkunft nur dann unterzeichnen, wenn sie auch gut für Kanada sei.
Der Handel zwischen den USA, Kanada und Mexiko hat ein Volumen von mehr als einer Billion Dollar jährlich. Die ursprüngliche NAFTA-Vereinbarung stammt aus dem Jahr 1994. Die Verhandlungen über eine Reform des Vertragswerks haben sich über ein Jahr hingezogen.