Wer sich rund um den Jahreswechsel von den Geschichten über Bitcoin-Millionäre und das schnelle Geld hat anstecken lassen und erstmals in den Kryptomarkt investiert hat, blickt wohl voll Unbehagen auf die vergangenen acht Monate. Denn Bitcoin, Ethereum, Ripple und Tausende von weiteren Coins haben seit dem Höhepunkt der Spekulationsblase am 7. Jänner 2018 über 76 Prozent an Wert verloren.
Bitcoin ist dieser Tage zwischenzeitlich erneut unter die 6000-US-Dollar-Grenze gefallen, bisher eine Art magische Linie, die zwar berührt, aber nie lange unterschritten wurde. Rund 203 Milliarden US-Dollar (178 Mrd. Euro) stecken derzeit in Kryptowährungen. Dem aktuellen Ausverkauf war eine Entscheidung der US-Börsenaufsicht vorausgegangen, einen Bitcoin-Fonds vorerst nicht zuzulassen.
Dieser Absturz ist allerdings nicht nur eine Krise von Bitcoin. Trotz Verlusten gewinnt die Mutter aller Kryptowährungen im schrumpfenden Markt für digitale Coins nämlich an Gewicht. Mit einem Anteil von 54 Prozent an der gesamten Krypto-Marktkapitalisierung dominiert Bitcoin den Markt wieder deutlich. Der Wert lag im Jänner bei 32 Prozent.
Vor allem Ether, die Währung der Blockchain Ethereum, ist unter Druck. Während der Kurs von Bitcoin in den vergangenen drei Monaten zwischen 6000 und 8000 US-Dollar hin- und herpendelte, geht es bei Ether fast nur bergab. Zuletzt fiel der Kurs der Nummer zwei auf dem Kryptomarkt auf 284 US-Dollar (250 Euro). Am Höhepunkt, am 1. Februar, war ein Ether 1055 US-Dollar (926 Euro) wert. Ein noch drastischeres Bild gibt die Kryptowährung Nummer drei ab. XRP, die Währung des Zahlungsnetzwerkes Ripple, stieg im Jänner auf 3,61 US-Dollar (3,17 Euro). Seitdem ist der Kurs um rund 92 Prozent auf 0,28 US-Dollar (0,24 Euro) gefallen.
Diese Kursstürze abseits von Bitcoin haben laut Experten einen weiteren Grund. Im Zuge der rasanten Marktentwicklung entstanden 2017 zahlreiche neue Kryptowährungen. Das geht so weit, dass ICO, das Initial Coin Offering, inzwischen eine beliebte Form der Start-up-Finanzierung ist. Allein in den vergangenen 30 Tagen wurden über 70 neue Kryptowährungen ins Leben gerufen. Die meisten dieser Coins sind technisch gesehen eine Art Gutschein, ein sogenannter Token, bezahlt in Ether. Viele Gründer fürchten nun um ihr Kapital und tauschen ihre angesammelten Ether gegen echte Dollar.
ICO haben ein weiteres Problem: Die meisten versprechen innovative neue Lösungen auf Basis der Blockchain-Technologie. Die Ideen reichen vom dezentralen Stromhandel bis zu sicheren Medizindaten. Doch bisher fehlen echte Anwendungen. Noch schlimmer: Es wurden zahlreiche Betrugssysteme auf Basis von ICO aufgezogen.
Roman Vilgut