Mit der Aussicht auf den Chefposten bei Audi wechselt der BMW-Spitzenmanager Markus Duesmann zu Volkswagen. Der bisherige Einkaufschef des Münchner Autobauers werde in den VW-Vorstand eintreten, sobald er zur Verfügung stehe, teilte der Wolfsburger Konzern am Dienstag mit. Welche Aufgaben der 49-Jährige dort übernimmt, ist einem Sprecher zufolge noch offen.

Dass Duesmann Audi-Chef wird, wie das "Handelsblatt" berichtete, bestätigte VW nicht. "Natürlich ist das eine Option", sagte ein Konzerninsider. Der bisherige Audi-Chef Rupert Stadler sitzt wegen des Dieselskandals in Untersuchungshaft. Er ist vorübergehend beurlaubt, bis die Vorwürfe geklärt sind. Wie lange dies dauert, und wie die erwartete Trennung von Stadler ablaufen könnte, ist unklar.

Der Audi-Chef ist üblicherweise auch Mitglied im Vorstand der Konzernmutter. Bei VW gebe es für den - in München wie in Wolfsburg hochgelobten - Ingenieur Duesmann auch andere Möglichkeiten, sagten Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Unter Vorstandschef Herbert Diess sei bei VW viel in Bewegung, auch an der Spitze.

BMW-Verbindung

Der Österreicher Diess war vor seinem Wechsel nach Wolfsburg selbst lange Top-Manager bei BMW und kennt Duesmann aus dieser Zeit. Beide sind Maschinenbau-Ingenieure, passionierte Motorradfahrer und zählten in München jeweils zu den Anwärtern auf den Chefsessel. Arndt Ellinghorst vom Analysehaus Evercore ISI nannte Duesmann eine starke und ausgewiesene Führungspersönlichkeit, der zugleich ein junger und moderner Manager sei - und damit ideal als Audi-Chef. VW lobte das neue Vorstandsmitglied als "einen der erfahrensten und profiliertesten Experten der Automobilindustrie", der sich durch breite Erfahrung bei verschiedenen Konzernen auszeichne.

Duesmann, 1969 im Münsterland geboren, arbeitete jahrelang in unterschiedlichen Funktionen im Daimler-Konzern. 2007 wechselte der Motorenspezialist zu BMW, wo er für den Bereich Antrieb im damaligen Formel-1-Team verantwortlich war. Danach wurde er Bereichsleiter für Fahrdynamik und später für das gesamte Thema Antrieb im Entwicklungsressort zuständig. Im Oktober 2016 rückte er in den Vorstand auf: als Chef des Einkaufs und Lieferantennetzwerkes. Neue Vorstandsmitglieder erhalten bei BMW üblicherweise einen Dreijahresvertrag.

BMW zufolge teilte Duesmann dem Aufsichtsrat am Montag mit, dass er seinen Vertrag "aus persönlichen Gründen" nicht verlängern wolle. Er sei mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden worden. Allerdings darf der Manager wegen einer mehrmonatigen Wettbewerbsklausel in seinem BMW-Vertrag vorerst nicht bei VW anfangen, wie mehrere Insider sagten. Wann BWM ihn ziehen ließe, werde derzeit verhandelt. Die Aufsichtsratschefs der beiden Autobauer könnten dies "mit Geld und guten Gesprächen" lösen. Wer neuer BMW-Einkaufschef wird, soll nach der Sommerpause feststehen.

Technik-Knowhow

VW setzt darauf, dass Duesmann im Vorstand zumindest einen Teil der Technikkompetenz ersetzt, die dem Konzern im Zuge des Dieselskandals um manipulierte Abgaswerte verloren gegangen war. Mehrere Entwicklungschefs und führende Techniker bei VW und den Töchtern Audi und Porsche mussten ihren Hut nehmen. Einen eigenen Entwicklungsvorstand gibt es derzeit bei VW nicht; Konzernchef Diess erledigt diese Aufgaben nebenher mit, will sie aber künftig an Audi abgeben. Im Vorstand seien auch andere Ressortzuschnitte denkbar, sagte einer der Insider. Damit müsse sich der Aufsichtsrat beschäftigen.

Diess hatte mit seinem Antritt Mitte April eine neue Konzernstruktur eingeführt, durch die der Tanker Volkswagen wendiger werden soll. Das "Manager Magazin" berichtete kürzlich, der Vorstandschef, der als ehrgeiziger Manager und harter Hund gilt, verlange von Audi eine höhere Rendite als bisher und auch als bei der Konkurrenz. Die Ingolstädter VW-Tochter wird derzeit kommissarisch von Vertriebschef Bram Schot geführt. Auch intern wurde zuletzt der Ruf nach einem personellen Neuanfang mit einem unbelasteten Manager immer lauter. Audi gilt als Keimzelle des vor fast drei Jahren bekannt gewordenen Dieselskandals.