Österreichs Wirtschaft wächst heuer in einem flotten Tempo, rund drei Prozent real, auch wenn der Konjunkturhöhepunkt schon überschritten ist. 2019 dürfte sich das Wachstum auf etwa zwei Prozent abbremsen, nehmen Wifo und IHS wie im Frühjahr an. Verstärkte Prognose-Abwärtsrisiken sehen die Institute aber wegen des zunehmenden Protektionismus im internationalen Handel.
Für 2018 und 2019 veränderten die Experten ihre Erwartungen am Freitag kaum. Nach 3,0 Prozent 2017 rechnet das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) für heuer mit 3,2 Prozent realem BIP-Plus, für 2019 mit 2,2 Prozent Anstieg - beides unverändert gegenüber März. Das Institut für Höhere Studien (IHS) erwartet für heuer 2,9 Prozent Plus (etwas mehr) und für 2019 dann 1,7 Prozent Wachstum, etwas weniger als zuletzt.
Binnennachfrage und Außenhandel tragen Wachstum
Getragen wird die Expansion von der Binnennachfrage und dem Außenhandel, auch wenn dieser etwas an Dynamik verliert - entsprechend der Wirtschaftsentwicklung in Eurozone und EU. "Handelspolitische Risiken belasten die Konjunktur zusätzlich", erklärte das IHS und nannte als "merklich abwärtsgerichtete Prognoserisiken" neben protektionistischen Tendenzen auch die Ausgestaltung des Brexit. Auch das Wifo sieht "erhöhte Unsicherheiten über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Ausland" und dadurch mehr Abwärtsrisiken als noch im März.
Am Arbeitsmarkt dürfte die positive Entwicklung weitergehen - die Arbeitslosigkeit wird aber durch den weiter starken Anstieg des Arbeitskräfteangebots nur verhalten sinken. Die Arbeitslosenrate nach nationaler Definition sieht das Wifo von 8,5 Prozent 2017 auf heuer 7,6 und 2019 auf 7,2 Prozent sinken, das IHS erwartet für 2018/19 Rückgänge auf 7,7 bzw. 7,5 Prozent. Für heuer sind damit beide Institute optimistischer als im März, für 2019 nur das IHS.
Dynamik lässt im zweiten Halbjahr nach
Heuer befindet sich Österreichs Volkswirtschaft im zweiten Jahr einer Hochkonjunktur-Phase, doch dürfte der Peak bereits zur Jahreswende 2017/18 erreicht worden sein, erklärten Wifo und IHS am Freitag. Auch Vorlaufindikatoren würden darauf hindeuten, dass der Höhepunkt des Aufschwungs vorbei sei, so die Experten. In der Folge werde die Konjunktur an Schwung verlieren.
Im ersten Halbjahr dürfte die Wirtschaft noch äußerst kräftig gewachsen sein, der Aufschwung sei weiterhin breit abgestützt, so das Institut für Höhere Studien (IHS). Der Privatkonsum sei im ersten Quartal - mit doch mehr als drei Prozent BIP-Anstieg als ein Jahr davor - von der guten Arbeitsmarktentwicklung getrieben worden. Seit der Steuerreform 2016 stützt der Privatkonsum das Wachstum, aktuell wird dieser durch den besseren Arbeitsmarkt und das hohe Konsumvertrauen am Laufen gehalten. Die Investitionstätigkeit sei zuletzt noch kräftig geblieben, doch lasse die Investitionskonjunktur nach, insbesondere bei den Ausrüstungsinvestitionen, heißt es. Der Preisauftrieb dürfte weiter mäßig bleiben: Das Wifo sieht für 2018 und 2019 jeweils 2,0 Prozent Inflation, das IHS je 2,1 Prozent.
"Spürbare Verlangsamung"
Auch vom Außenhandel seien Impulse gekommen. Die Exportdynamik schwäche sich aber im Einklang mit der Weltkonjunktur leicht ab, sagt auch das Wifo. Für das zweite Halbjahr sei mit einer "spürbaren Verlangsamung der Konjunkturdynamik" zu rechnen, so das IHS. Das internationale Umfeld habe sich in den vergangenen Monaten etwas verschlechtert, verweist das IHS etwa auf Deutschland und Frankreich - und auf die tieferen, aber weiter positiven Indikatoren. In vielen Ländern würden zunehmende Kapazitätsengpässe sowie eine allgemeine Stimmungseintrübung aufgrund steigender Risiken die Wachstumsraten dämpfen, betont das Wifo.
Belastend wirkt laut IHS "die deutliche Erhöhung der Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung, die durch handelspolitische Risiken ausgelöst wurde". Washington sei auf einen Protektionismus-Kurs eingeschwenkt. Es gebe die Gefahr, dass es zu einer Spirale aus Aktion und Reaktion bei den handelspolitischen Instrumenten kommt: "Bereits die Sorge über eine mögliche Eskalation des Handelskonflikts, etwa zwischen den USA und China, könnte die weltweite Investitionsbereitschaft dämpfen."
Arbeitszeit: Sorge über fehlende Lösungskompetenz
Badelt und Kocher zeigten sich besorgt über mangelnde Problemlösungskompetenz bei einer "vergleichsweise kleinen Reform" wie der geplanten Arbeitszeit-Flexibilisierung. "Wie sollen wir dann etwa eine große Pensionsreform zusammenbringen?", fragte sich Kocher.
"Das wirkliche Problem" ist für Wifo-Chef Badelt, "dass die politische Diskussion mit Übertreibungen arbeitet, die schon ans Lächerliche grenzen - auf beiden Seiten. Das trägt alles nicht zu einer Lösung bei".
Wie Badelt steht auch Kocher einer Arbeitszeit-Flexibilisierung grundsätzlich positiv gegenüber, derzeit würden sich aber "die Gegensätze übersteigern: Jeder findet gute und schlechte Beispiele - auf beiden Seiten", erklärte der IHS-Leiter am Freitag bei der Vorlage der neuen Konjunkturprognosen .
Begrüßt hätten beide Institutschefs eine Einigung mit Einbindung der Sozialpartner, also der Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Fragen der Zuschläge und auch der Freiwilligkeit müssten sich rechtlich klar klären lassen, ist der Wifo-Chef überzeugt. Ob sich durch die von der Regierung geplante Reform die betriebliche Mitbestimmung ändere, sei eine politische Frage und keine für Ökonomen. Badelt schätzt, dass von den 3,6 Millionen unselbstständig Erwerbstätigen in Österreich rund 2,5 Millionen dem Arbeitszeitgesetz unterliegen und damit von der Reform betroffen wären. Ein großer Teil habe heute schon solche Regelungen in einem Kollektivvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, vor allem in der Industrie, für die sei die Wirkung kleiner, so Badelt.
Budgetziele erreichbar
Die Budgetziele der Regierung hält das IHS für erreichbar, falls der Budgetvollzug strikt und der wirtschaftliche Rahmen passend bleiben. Der Voranschlag 2018/19 sieht eine Rückführung der gesamtstaatlichen Defizits nach Maastricht-Definition von 0,7 Prozent des BIP im Vorjahr auf 0,4 Prozent im heurigen Jahr und einen ausgeglichenen Haushalt kommendes Jahr vor. Das IHS erwartet zur Zeit 0,2 Prozent Defizit für 2018 und 0,1 Prozent Überschuss 2019, das Wifo heuer 0,1 Prozent Defizit, 2019 0,2 Prozent Überschuss.
Für einen nachhaltigen Budgetkurs und eine Absenkung der Schuldenquote seien zusätzliche Strukturreformen "unbedingt notwendig", hält das IHS fest, etwa in den Bereichen Pensionen und Föderalismus bzw. Finanzausgleich. Längerfristig müssten Potenziale zur Finanzierung von Alterung und zusätzlichen Aufgaben in Bildung, Digitalisierung und Forschung geschaffen werden.