Es war eine Steilvorlage für die Gewerkschaft, die IV-Präsident Georg Kapsch und der designierte Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf lieferten. In der Diskussionssendung "Im Zentrum" – Thema waren die geplanten Änderungen der Arbeitszeitbestimmungen – sprachen sie von einem Wegfall der Überstundenzuschläge bei Gleitzeitarbeit. Sprich: Künftig solle die Gleitzeit nicht nur von zehn auf maximal zwölf Stunden am Tag angehoben werden, sondern auch die Zuschläge für derlei geleistete Mehrstunden fallen.
Die Reaktion folgte auf dem Fuß: "Eine Million Arbeitnehmer könnte um Zuschläge umfallen", ließ Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer, wissen. Von "Lohnraub" sprach Gewerkschafter Josef Muchitsch, bevor IV, WKÖ und Regierung zur großen Richtigstellung ausrückten. Die "Zuschläge für die neunte, zehnte, elfte und zwölfte Stunde" würden bleiben, erklärte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. "Weil wir an den Normalarbeitszeiten nichts geändert haben."
Alte Verträge, neue Bestimmungen
Noch einen Schritt weiter geht im Gespräch mit der Kleinen Zeitung Roland Gerlach. Der Jurist sieht in der Debatte gar "einen Sturm im Wasserglas". Die Zuschläge würden "nicht wegfallen", entscheidend sei "wie schon bisher", ob jenseits der Normalarbeitszeit (acht Stunden) freiwillig oder angeordnet gearbeitet wird. Kann der Arbeitnehmer Beginn und Ende der Arbeitszeit nicht mehr selbst bestimmen, fällt er aus der Gleitzeit und die Stunden neun bis zwölf werden zu zuschlagspflichtigen Überstunden. Juristisch heikel könnte es laut Gerlach bei "All-in-Klauseln" werden. Diese beinhalten nämlich – gegen einen erhöhten Lohn – oft den Zusatz, wonach "alle zulässigen Überstunden" abgegolten werden. Ab Jänner könnten das aber zwölf Stunden anstelle der zuvor geltenden zehn sein. Die vielen, vielen Verträge wurden also eigentlich unter anderen Bestimmungen abgeschlossen.
Ortswechsel. Vorsichtiger zeigt man sich in Sachen "Gleitzeit" beim Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Ulrike Famira-Mühlberger erzählt vom "Graubereich zwischen angeordneter und nicht angeordneter Überstunde" und den Fragezeichen bezüglich der "einen Million Gleitzeitarbeitenden". Das könne man so beim Wifo aus keiner Statistik explizit herauslesen. Anderswo wird die Ökonomin deutlich: "Es zeigt sich statistisch klar, dass die Unfallgefahr ab der zehnten Arbeitsstunde signifikant ansteigt." Außerdem sieht sie einen "negativen Zusammenhang" zwischen "langen Arbeitszeiten und Produktivität".
"Tendenziell positiv" steht indes Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte beim IHS, einer Flexibilisierung gegenüber. Wenngleich ihm "innovativere Arbeitszeitmodelle auf Betriebsebene lieber wären". Für Hofer das Wichtigste: "Das gute Arbeitsklima, eine von Österreichs Stärken, darf nicht gestört werden."
Womit zumindest ein Punkt gefunden wäre, der vermutlich ausschließlich Zustimmung erfährt.