Debakel“, „Eklat“, „Gipfel an die Wand gefahren“ – die Einschätzungen nach der nachträglichen Aufkündigung des G7-Abschlusspapiers durch Donald Trump schlägt hohe Wellen. Sind wir jetzt schon mitten drinnen in dem Handelskrieg, vor dem immer gewarnt wurde?
FRRIEDRICH SCHNEIDER: Eigentlich sind wir schon mitten drinnen in einem Handelskrieg. US-Präsident Trump hat Strafzölle verhängt, wir verhängen jetzt auch welche. Trump hat auf dem G7-Gipfel gezeigt, dass er nicht an einer freundschaftlichen Lösung mit seinen Partnern interessiert ist, er möchte diktieren, agiert jähzornig und willkürlich. Das kann so einfach nicht weitergehen, das ist kein freundschaftliches Verhältnis, wenn man sich so aufführt.
Mit welchen Folgen?
Meine Prognose: Wir werden uns auf einen größeren Handelskonflikt einstellen müssen.
Wird es auch zu US-Zöllen auf europäische Autos kommen?
Ja, ich glaube, dass Trump das umsetzen wird, weil er reagiert wie ein trotziges Kind.
Wären gerade Österreich und Deutschland mit Zöllen auf Autos besonders verwundbar?
Das ist einer unserer wichtigen Exportartikel und das wird auch die nächsten 15 oder 20 Jahre so sein, daher ja. Österreich hängt mit der starken Zulieferindustrie und der Vernetzung mit Deutschland sehr stark mit drinnen. 20-prozentige US-Zölle auf europäische Autos würden in Österreich mittelfristig mindestens 10.000 bis 20.000 Arbeitsplätze kosten.
Wie kommt man aus dieser Spirale wieder heraus? Sie haben vor Kurzem vorgeschlagen, dass die EU den USA anbieten soll, alle Zölle zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken sukzessive auf null zu stellen. Wäre das trotz dieser Eskalation am G7-Gipfel eine mögliche Lösung?
Ja, ich würde aus EU-Sicht diesen Vorschlag einbringen, mit dem Ziel, alle Zölle auf null zu bringen. Dabei wäre zwar die EU vorerst Verlierer, weil wir im Schnitt zehn Prozent Einfuhrzölle auf US-Waren einheben, die Amerikaner aber nur 3,5 Prozent. Die EU kann aufgrund dieser Einnahmen rund 20 Milliarden Euro für ihr Budget verbuchen, die würden bei einer Abschaffung aller Zölle fehlen. Dennoch müssten sich die EU-Länder klar deklarieren, Einigkeit demonstrieren und diese 20 Milliarden ersetzen. Solange darüber verhandelt wird, sollten alle in die Wege geleiteten Strafzölle ausgesetzt werden. Die EU muss sich jetzt aber auch dringend nach neuen Verbündeten umsehen.
An wen denken Sie da?
Man muss jetzt noch viel stärker das Gespräch mit Ländern wie China, Russland und Indien suchen und versuchen, verbindliche Handelsvereinbarungen zu treffen. Es braucht mehrere Strategien.
Eine schnelle Entspannung ist also nicht in Sicht?
Nach einer schnellen Lösung sieht es nicht aus, Europa muss eine Kontraposition einnehmen zu Trumps erratischer Handelspolitik. Denn ein Handelskrieg, das sagt schon das Wort, ist eine Auseinandersetzung, die eben auch sehr viel kaputt macht. Es ist ganz schwer, einen Plan B zu haben, der zeigt, wie man da wieder heraus kommt. Der eine führt Zölle ein, der andere reagiert mit anderen Zöllen darauf und so weiter. Dann manövriert man sich in eine immer schwierigere Position.
Auch in der Euro-Zone stehen Weichenstellungen an. Am Donnerstag trifft sich die Europäischen Zentralbank zu einer womöglich entscheidenden Zinssitzung. Ist jetzt endgültig die Zeit gekommen, um zumindest einmal das billionenschwere Anleihenkaufprogramm zu beenden?
Ja, man müsste jetzt das Ende einläuten, die EZB sollte Schritt für Schritt die Anleihenkäufe reduzieren und mit Jahresende gegen null fahren. Die Konjunktur in Europa läuft im großen und ganzen gut, es ist Zeit dafür. Die Staaten müssen auch wieder lernen, dass sie mit positiven Zinssätzen zu rechnen haben.
Es gibt aber neue Entwicklungen in der Euro-Zone, Stichwort Italien, wo nun nach langem Zittern eine neue, eher EU-kritische Regierung ans Ruder gekommen ist, die trotz der hohen Staatsverschuldung riesige Ausgabenprogramme versprochen hat.
Wenn es zu einer Krise wegen Italien kommen würde, weil die Regierung exzessive Ausgabenprogramme fährt und der Euro tatsächlich unter Druck gerät, muss man sich ansehen, ob andere Maßnahmen erforderlich sind. Aber ich glaube, dass um Italien viel unnötiger Wirbel gemacht wird. Warten wir doch erst einmal ab, welche konkreten Maßnahmen die Regierung tatsächlich in die Wege leitet. Was mich an der Italien-Debatte auch stört, ist das zum Teil sehr besserwisserische Auftreten vieler meiner deutschen Kollegen gegenüber dem Land. Den erhobenen Zeigefinger aus Deutschland, den würde ich erst einmal tunlichst weglassen.
Neben Italien hat zuletzt auch der rasante Regierungswechsel in Spanien für Unruhe in der Euro-Zone gesorgt.
In Spanien wurden zahlreiche Mitglieder der früheren Regierungspartei wegen schwerer Korruption verurteilt, daher wurde die Regierung abgewählt. Wenn wir die Demokratie befürworten, dann müssen wir das als ganz normalen Vorgang zur Kenntnis nehmen. Und der neue sozialistische Premier ist kein Heißsporn, das ist auch keiner, der jetzt alles auf den Kopf stellt. Ich sehe im Zusammenhang mit Spanien vorläufig nicht die Alarmglocken schrillen.
In Österreich steht am Mittwoch der Nationalratsbeschluss zum Handelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada an. Noch immer gibt es Kritik am Investorenschutz. Zu Recht?
Ich habe keine Bedenken. Gerade in der jetzigen Zeit, wäre es wichtig, dass Ceta von vielen EU-Ländern möglichst rasch ratifiziert wird. Wir müssen der Welt signalisieren, dass wir an Freihandel interessiert sind.
Aber braucht es in Handelsverträgen diese vielfach so kritisch beäugte Sondergerichtsbarkeit überhaupt noch?
Hier wurde ja sehr viel entschärft, es sind öffentliche Verfahren mit ordentlichen Richtern, es gibt Berufungsmöglichkeiten, die Dokumente sind einsehbar … ich habe mir in einer Analyse auch einmal zahlreiche private Schiedsverfahren angesehen, da ist es beileibe nicht so, dass der Großinvestor oder multinationale Konzern immer gewinnt, zwei Drittel der Fälle verlieren die. Aus meiner Sicht haben wir jetzt einen vernünftigen Regelungsmechanismus.