Herr Edtmayer, wie groß ist die eSports-Szene in Österreich eigentlich?
LORENZ EDTMAYER: Wir gehen davon aus, dass es 300.000 bis 400.000 eSports-Begeisterte gibt. Das ist die Anzahl der Nutzer, die in Österreich den Streaming-Dienst Twitch verwenden. Wenn man sich dort Spiele anschaut, muss man ein Fan sein – und auch etwas mehr als nur ein Hobbyspieler. Wir wollen den Sport mit unseren Aktionen, etwa mit dem Electronic Sports Festival (ESF), jedenfalls professionalisieren. Wie im Fußball ist in Österreich nämlich auch im eSports zu wenig Geld im Markt.
An welchen Ländern orientieren Sie sich dabei?
Ich muss da kurz ausholen. Wir sind mit der Diamir Holding ein großes Software-Unternehmen. Und wurden auf den Megatrend eSports durch unsere Entwickler aufmerksam, die eSports-fanatisch sind. Im letzten Herbst waren wir in Südkorea. In Seoul fand zu diesem Zeitpunkt ein großes eSports-Turnier statt. Und als wir dort die Dimensionen sahen – da werden Stadien gefüllt und die besten Spieler verdienen Millionen –, haben wir gesagt, so etwas müssen wir nach Österreich bringen.
Gibt’s in Europa starke Szenen?
Die Skandinavier sind deutlich fortschrittlicher und Polen hat mit Katowice gezeigt, wie man aus einer Kleinstadt eine eSports-Metropole machen kann. In Österreich ist viel Potenzial da, aber die Dinge sind noch nicht professionalisiert. Es gibt, wenn man so will, noch keine UEFA oder FIFA, die vorgeben, wo es langgeht.
Aber es gibt in Österreich zumindest eine eBundesliga.
Eine super Initiative! Aber die spielen nur das Fußballspiel „FIFA“. Und das ist nicht der Titel, der bei eSports-Fans den größten Stellenwert genießt. Da geht’s um „Counterstrike“, „League of Legends“ oder neuerdings „Fortnite“.
Ist eSports wirklich eine Form von Sport? In Deutschland gibt’s darüber eine emotionale Debatte.
Für mich ist es jedenfalls eine Form von Sport. Was macht denn Sport aus? Einerseits Leidenschaft und Emotion. Das sehen wir bei jedem Turnier. Das Zweite ist Anstrengung, Konzentration. Auch das findet man überall im eSports-Bereich. Nicht zuletzt ist eSports ein Teamsport, wo Kapitäne Teams leiten. Die Profis schauen auf extrem ausgewogene Ernährung, sind körperlich topfit. Weil es ja auch um Schnelligkeit geht. Die meisten eSports-Titelträger sind zwischen 16 und 25, weil danach die Reaktionszeit nachlässt. Und in Deutschland ist es eigentlich keine Debatte mehr. Mit der Ratifizierung des Regierungsübereinkommens wurde eSports als Sport offiziell anerkannt.
Es gibt deutsche Landessportbünde, die Positionspapiere aufsetzten, um klarzumachen, dass eSports für sie kein Sport ist. Unter anderem, weil First-Person Shooter mit den Werten des Sports unvereinbar seien.
Ist Boxen vereinbar mit diesen Werten? Aber was mir viel wichtiger ist, ist der Hinweis auf die Abstrahierung. Außerdem wollen wir den Leuten sagen: Schaut es euch an, macht euch euer Bild. Das sind keine Zombies, das sind keine Bestien. Das sind echte Sportler und Spieler, für die es primär um den Wettkampf hinter dem Spiel geht – und weniger um das Schießen per se.
Gibt’s in Österreich eSports-Spieler, die davon leben können?
Wir haben beim ESF den größten Pot ausgespielt, 20.000 Euro in bar und dazu noch einiges in Sachleistungen. Natürlich wird das aufgeteilt. Aber wenn man die Karriere konsequent verfolgt, viele Turniere auch außerhalb Österreichs spielt, auf Twitch eine gewisse Anhängerschaft erreicht, dann kann sich das schon auszahlen.