Wäre es Klaus Hochreiter und Thomas Fleischanderl nur um die mediale Aufmerksamkeit gegangen – der PR-Coup wäre ihnen gelungen. Von Slowenien bis in die Niederlande machte das 22 Mitarbeiter starke Unternehmen aus Bad Leonfelden Schlagzeilen. „eMagnetix“, eine Agentur für Online-Marketing, führt als erster Betrieb in Österreich die 30-Stunden-Woche ein. Bei vollem Gehalt.

Doch mit Marketing habe das gar nichts zu tun, sagt Hochreiter, Geschäftsführer und Gesellschafter (mit Schulfreund Fleischanderl) im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Im Gegenteil: Dieser Schritt sei eine Investition in ihr „wichtigstes Kapital“, die Mitarbeiter. „Wir müssen uns auf dem Arbeitsmarkt attraktiv machen.“ Als die Agentur der Fachkräftemangel im Herbst 2016 besonders hart traf, reifte in Hochreiter und Fleischanderl die Entscheidung. Im Mai 2017 wurden die Mitarbeiter eingebunden, im Herbst lief ein Probegalopp, im Dezember und Jänner die Evaluierung. Ergebnis: Im ersten Schritt wird die wöchentliche Arbeitszeit auf 34 Stunden gesenkt, ab Oktober auf 30.

„Sie leben nicht, um zu arbeiten ..."

Die Maßnahme zielt auf die Millennials ab, also auf die nach 1980 Geborenen. Geld ist für sie nicht mehr das wichtigste Statussymbol, sondern Zeit – die viel zitierte Work-Life-Balance. „Sie leben nicht, um zu arbeiten, sondern arbeiten, um zu leben“, formuliert es Hochreiter. Eine wachsende Zahl internationaler Beispiele und mehrere Studien belegen die Entwicklung. Laut Untersuchung der Universität Wien schätzen nur noch 42 Prozent der Bevölkerung in Österreich den Beruf als sehr wichtig ein. Ähnlich lautet das Ergebnis einer Umfrage des Instituts für Standort- und Wirtschaftsentwicklung der Wirtschaftskammer im Jahr 2017: Sehr wichtig ist den Berufseinsteigern die Freizeit zu 80 Prozent, die Karriere aber nur zu 24 Prozent.

Die Generationen Y und Z haben andere Werte und den Vorteil, dank sehr guter Ausbildungen und des Geburtenrückgangs begehrt zu sein. Mit dem Motto „30 sind genug“ umwerben Hochreiter und Fleischanderl die gut ausgebildeten 20- bis 25-Jährigen. Der Erfolg stellte sich sogleich ein: „Bereits einen Tag nachdem wir in den Medien waren, erhielten wir 20 Bewerbungen“, sagt der 36-jährige Wirtschaftsinformatiker.

In der Arbeitszeit muss das Smartphone in die Schublade

30 Stunden – wie funktioniert das? „Wir werden in 30 Stunden nicht das gleiche Pensum schaffen wie in 40“, stellt Hochreiter klar. „Wir verzichten auf einen Teil des Umsatzes und reinvestieren einen Teil des Gewinnes.“ Damit niemand einen Zweitjob suchen muss, bleiben die Gehälter gleich. Teilzeitkräfte erhalten eine anteilsmäßige Lohnerhöhung. Falsch sei jedoch die Behauptung, „dass wir unsere Preise erhöhen und die Last auf unsere Kunden abwälzen“.

Allerdings wurden Prozesse optimiert, um die Effizienz zu steigern. Zum Beispiel bei internen Terminen: Dafür gibt es nun Zeit- und Zielvorgaben und Sanduhren, die helfen sollen, die Zeit einzuhalten. Auch Ablenkungen durch Smartphones werden zurückgedrängt. „Während der Arbeitszeit kommt das Smartphone in eine Schublade, in der Pause kann es verwendet werden“, erklärt Hochreiter.Außerdem wurden Zeiten geschaffen, in denen ohne Termine störungsfrei gearbeitet werden kann. Manuelle Tätigkeiten wurden digitalisiert. „Jeder Mitarbeiter hat bei sich geschaut, wo er etwas besser machen kann.“ Es gibt keine fixe Arbeitszeit, sondern Gleitzeit. 

"Alle werden sich was einfallen lassen müssen"

So wie die Reaktionen anfangs intern waren, so seien sie nun auch von außen, von begeistert bis skeptisch reicht die Palette. „Positiv ist, dass einige Unternehmen gerade an ähnlichen Lösungen arbeiten. Da kommt also noch mehr.“

Hochreiter glaubt, dass sich im Werben um künftige Mitarbeiter „alle Unternehmen etwas einfallen lassen müssen“. Doch ist ihm bewusst, dass das Modell 30-Stunden-Woche nicht in allen Branchen funktionieren wird. „Für uns ist es der richtige Weg. Aber jedes Unternehmen muss das für sich prüfen und entscheiden.“