In der Vorwoche waren 9000 Polizisten, 10.000 Krankenpfleger und 37.000 Lehrer in Slowenien tageweise im Streik. Ihre Forderungen an den Staat wären eine Milliarde Euro mehr im Jahr. Hätten Sie sich da eine Sozialpartnerschaft gewünscht wie im streikarmen Österreich?
BOSTJAN GORJUP: Unser Wirtschaftswachstum hat auch im öffentlichen Sektor gewisse Erwartungen geweckt. Wir haben als Wirtschaftskammer Slowenien eine Diskussionsplattform mit den Gewerkschaften, aber nicht so entwickelt wie in Österreich. Wir können das Geld aus der Wertschöpfung nicht gleich fürs Ausgeben hernehmen, sondern müssen es in die Entwicklung investieren.
Sogar 300 Geheimdienstleute haben – verbotenerweise – jüngst gestreikt, weil sie weniger als das slowenische Durchschnittsgehalt von 1047 Euro bekommen.
Ich bin froh, dass wir in der Wirtschaft in den Unternehmen mit den Gewerkschaften eine gute Kommunikation und Kooperation haben. Es ist allen Beteiligten bewusst, dass die Digitalisierung in manchen Bereichen bis zu 20 Prozent der Arbeitsplätze betrifft. Auf das müssen wir vorbereitet sein.
Die Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer hob Slowenien 2011 auf. Wie geht es jetzt?
Unser Budget wurde auf acht Millionen Euro halbiert, das Mitgliedervolumen auf 60 Prozent, die Mitarbeiterzahl von 250 auf 125. Wir sind dynamischer und kundenfreundlicher, aber wir müssen die Rolle, alle Gesetze zu prüfen, behalten. Dazu verhandeln wir um Staatszuschuss. Aber die Wirtschaftskammer muss wie die Wirtschaft wettbewerbsfähig sein.
Sloweniens Wirtschaft brummt mit 4,7 Prozent Wachstum in der EU-Spitze. Was sind die Treiber?
Es ist uns gelungen, zu 800 tragenden Exportbetrieben einen neuen Mittelstand aufzubauen, der die Exportindustrie befeuert. Wir hatten ab 2008 eine Rezession, auch weil wir als junger Staat Fehler im Bau- und Bankensektor gemacht haben.
Das Exportwachstum von zwölf Prozent wurde auch durch Steigerungen mit Österreich erzielt?
Österreich ist für unsere Industrie neben Deutschland der Haupthandelspartner, aber auch führend bei Investitionen. 2017 hat Magna mit dem Bau des Werkes bei Maribor auch einen Grundstein für weitere Geschäftsbeziehungen gelegt.
Bei der Produktivität hängt Slowenien dem EU-Schnitt um 20 Prozent nach. Wie löst man das?
Die Industrie rüstet sich mit dem Projekt Smart Specialisation. Auf die Konkurrenz Asien kann Europa nur mit Spezialisierung antworten. Dazu muss die Regierung auch die Ausbildung anpassen und wir würden gerne das duale Lehrsystem von Österreich kopieren.
Im EU-Innovationsranking liegt Slowenien an 12. Stelle. Verfolgen Sie wie Österreich, das an 7. Stelle liegt, das Ziel, unter die sechs Innovation Leaders zu kommen?
Auf jeden Fall. Darin stecken auch wir als Wirtschaftskammer unsere Hauptenergie, um ein Klima dafür zu erzeugen. Dafür unterstützen wir Start-ups und ein Blockchain-Projekt.
Bei der Roboterdichte liegt Slowenien mit 137 Anlagen je 10.000 Einwohner an 16. Stelle weltweit, noch vor der Schweiz. Zum Großteil in der Autoindustrie. Sollte die mit dem steirischen Automobilcluster noch stärker vernetzen?
Wenn wir als Nachbarn mit unseren Kompetenzen zusammenwirken, können wir noch mehr erreichen. Der japanische Roboterhersteller Yaskawa baut in Kočevje (Gottschee) eine neue Roboterfabrik, und das bringt auch Chancen für neue Entwicklungen. Der Raum Slowenien, Steiermark und Kärnten bietet sich dafür an, ein gemeinsames Umfeld für Innovation und Kooperation zu generieren mit Talenten und Topfirmen.
Mit einer Staatsschuldenquote von 78,7 Prozent liegt Slowenien wie Österreich mit 83,6 Prozent deutlich über dem EU-Limit.
Das Haushaltsdefizit Sloweniens lag 2017 fast bei null und diese Konsolidierung ist auch für 2018 geplant. Da müssen wir dranbleiben, denn einmal kommt auch schlechteres Wetter und dann haben wir mit hoher Staatsverschuldung in einer Krise einen Joker weniger.
Zur Sorge der Kärntner und Steirer wird das Atomkraftwerk Krško weitergerüstet. Wann denkt man an die Energiewende?
Wir fördern die Fotovoltaik stark, aber das reicht nicht für die Industrie. Wir nutzen die Kohle von Velenje und setzen auf Ausbau der Wasserkraft.
Sloweniens Tourismus erzielte 2017 15 Prozent Gästeplus. Mit der zweiten Karawankentunnelröhre, die ab Juni 2018 gebaut wird, erwarten Sie noch mehr an Touristen und Wirtschaftskraft?
Ja. Slowenien hat mit Österreich die längste Grenze, aber nur zwei moderne Verbindungen mit dem Karawankentunnel und in Spielfeld. Dazwischen müssen wir eine dritte Entwicklungsachse aufbauen. Im Tourismus haben wir eine Strategie für individuelle Erlebnisse, die Gäste aus Europa, Asien und USA zunehmend suchen. Der ganze Raum Kärnten, Steiermark und Slowenien kann dafür viel mehr bieten als Natur.
Adolf Winkler